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Wien | 12.10.2002 | 11:08 
Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger

Sonja, Pinguin, Rotifer

 
 
I'm a Loner. I'm a Sorry Entertainer
  Dieser Mann ist endgültig der Größte.

Was soll ich nur darüber sagen? Ich bin von fast keiner Musik so direkt berührt worden, wie von der von Daniel Johnston. Er zielt nicht ab, aber er trifft. Er performt nicht für mich [eher für so etwas wie 'mankind'], aber er berührt mich direkt. Und nicht nur mich.

Über ihn zu sprechen, ihn anzupreisen, seine Kunst zu 'erklären', lässt den Preisenden immer ein bisschen wie einen Voyeur dastehen.

Jede/r kann seine Probleme und Eigenschaften, sein Weltbild sofort erkennen und sehen. Seine Probleme mit manisch-depressiven Schüben. Seinen - zum Teil eingebildeten - unerfüllten Liebeswahn. Seine naive 'gut- böse' Weltsicht, in der er Comichelden und Popstars, Monster, Vampire und den Teufel, Gott und die Beatles agieren lässt.

Seine limitierten musikalisch- technischen Fähigkeiten - Johnstons Songs auf der Gitarre zu erlernen, dauert ungefähr einen halben Tag, auf dem Klavier vielleicht einen. Seine dünne, quäkende Stimme, die immer innerhalb der Songs noch höher hinauf will, und es meist nicht schafft. Seine nahezu unhörbar räudig auf Kinderkassettenrecordern aufgenommenen 'First Take' Lieder. Seinen fast unpassend konsequent durchgehaltenen Weltschmerz und Ernst ...

All das ist irgendwie lächerlich [fast jeder Mensch, der Daniels Musik zum ersten Mal hört, muss lachen] und es ist zugleich aber größer, echter, wahrer, mehrdimensionaler als das meiste, was die amerikanische Kunst seit Emily Dickinson hervorgebracht hat.
 So sieht Daniel Johnston jetzt aus
 
 
Lord Give Me Hope
  'Er hat einfach nicht die Fähigkeit zur Falschheit', sagte Moldy Peaches Sängerin Kimya Dawson über ihr großes Vorbild, 'sie gehört nicht zu seinem Repertoire. Er kann nicht anders als rein sein, optimistisch, melancholisch und echt'.

Die Antifolk-Szene aus New York, die Clique um die Moldy Peaches ist die vielleicht dritte amerikanische Musikergeneration, die den schwächlichen Mann aus Austin zu ihrem Helden erklärt hat.

Sonic Youth, die Shimmy Disc Crew [Kramer, Shockabilly, Bongwater, Velvet Monkeys], die texanischen Nachbarn von den Butthole Surfers, die SST-Posse, Shonen Knife, Dead Milkmen, Pearl Jam, A Camp, David Bowie, der ihn dieses Jahr auf sein Festival eingeladen hat... und nicht zuletzt sein vielleicht prominentester Fan, Kurt Cobain - sie alle hielten den dicken, depressiven Mann mit den naiven, selbstgemachten Songs für das ursprünglichste amerikanische Genie.

Kurt Cobain hat ihm dann auch zu einer gewissen Prominenz außerhalb der 'Szene' verholfen, als er bei einer MTV Award-Verleihung ein T-Shirt mit einer Zeichnung von Daniel trug: Eine Blume, die aus einem Baumstumpf wächst, Titel: 'Hope'.

Jad & Daniel
 Daniel Johnston mit seinem Freund, dem ähnlich arbeitenden Jad Fair, mit dem er eine richtige Platte in einem richtigen Studio aufgenommen hat.
 
 
'Held The Hand Of The Devil'
  Daniel wollte das alles nie.

Als MTV in Austin war, um die Butthole Surfers und die texanische Szene zu filmen, schrieb er darauf einen Song darüber, dass er im Fernsehen war, und alle 'ihn angestarrt' hätten, was für ihn so ist, als ob er 'die Hand des Teufels' gehalten hätte.

Seine selbstgemachten Tapes hatte er immer gratis verteilt. Geschenktes Equipment, um seine billig aufgenommenen Tapes zu verbessern, hat er immer abgelehnt, ins Studio war er insgesamt vielleicht fünf Mal zu bringen.

 Daniels andere Leidenschaft: naive, selbstgemalte Bilder
 
 
  Er war immer auf anderes fixiert. Er glaubt an das Gute, die Hoffnung, die Liebe und dass man den Tod nicht fürchten soll ['it happens everyday']. Er glaubt, er sei zur Einsamkeit verurteilt. Er weiß nicht, ob es Gott gibt ['but I'm hoping], aber er weiß, dass man sich oft zusammenreißen muss, damit man vor Trauer und Einsamkeit nicht in ein Loch fällt, und dass man akzeptieren muss, dass es 'Love of the Heart and Lust of the Flesh' gibt und man damit sein 'own saviour' wird.

Und er weiß, wie die Liebe ist. 'Love is patient and kind'.

 
 
Live im Flex, 13. Oktober 2002
  Auf seinen [sehr raren] Touren begleitet ihn sein 80-jähriger Vater, der alle Menschen von Daniel Johnston abschirmt. Bei seiner letzten Tour hat er ein einziges Deutschland-Konzert gegeben. Als auf der Bühne irgend etwas Technisches nicht funktioniert, glaubt er, er sei Schuld und bekommt Angst. Am Schluss entschuldigt er sich, völlig verunsichert, für das 'schlechte Konzert', zu dem die halbe deutsche Szeneprominenz extra angereist war, von Diedrichsen bis Schlingensief.

Wie gesagt, man fühlt sich ein wenig wie ein Voyeur, wie jemand, der zusieht, wie jemand anders das Leid und die Liebe ernst nimmt und lebt. Patient and kind...

 Daniel Johnston im Flex
fm4 links
  www.hihowareyou.com
Daniel Johnston Homepage
   
 
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