Monster, Schwerter und Pathos: 'Warhammer: Age of Reckoning' ('WAR'), ein Rollenspiel wie eine Metal-Platte.
Gleich?
Eigentlich ist es erstaunlich, wie sehr die Grundprinzipien des Computer-Rollenspiels in den letzten 20 Jahren gleich geblieben sind - zum Beispiel Charakterklassen, Levels oder Skills. Schlecht? Umgelegt auf Musik würde das ja heißen: Drum'n'Bass ist doof, weil zerhackte Breakbeats eben immer zerhackte Breakbeats sind. Weil es aber sowohl darauf ankommt, was rund um den Beat geschieht, als auch darauf, wie die Kunstform in den verschiedenen Fangemeinden und Subkulturen rezipiert wird, bleibt sie interessant.
Gemütlich
Als ich in den 1980er Jahren mit 'Ultima' und 'The Bard's Tale' das RPG entdeckte, interessierten mich primär die Geschichten, die sie erzählten - sekundär waren es Mechanik und Logik von Spielzügen, Strategien und Skill Trees. Anfang der Neunziger genoss ich es in Form von 'Final Fantasy' und 'Phantasy Star'- als gemütliche Alternative zum button mashing in den Arcades.
Während der letzten Jahre aber begann ich mich, trotz wunderschöner Genrevertreter wie 'Jade Empire' oder 'Fable', langsam mit Rollenspielen zu langweilen. Ja, schon, die Geschichten sind noch komplexer geworden, voller Überraschungen und Plot Twists. Ja schon, man kann jetzt auch mehrere Handlungsstränge erleben. Ja eh, die 3D-Grafik und das Symphonieorchester sind filmreif. Aber - wie oft kann man Hochleveln und Ausrüstung sammeln und Skillpoints verteilen schon spannend finden? Same old, same old.
Gemeinsam
Dieselbe Sache allerdings, der ich 2008 für mich alleine immer weniger abgewinnen kann, fühlt sich online - wenn auch nicht ganz frisch - doch anders an: Die gemeinsamen Spielerlebnisse, die anschließenden Debatten darüber und die sozialen Netzwerke, die sich daraus ergeben, lassen mich über die Schwächen mancher MMORPGs hinwegsehen - selbst wenn sie geradezu altmodisch gestaltet sind.
Und so ließ ich mich vorerst auch nicht durch das in vielen Foren gelesene Vorurteil abschrecken, Warhammer: Age Of Reckoning (kurz: "WAR") wäre eh nur ein PvP-lastiger Abklatsch des millionenfach verkauften Konkurrenzprodukts 'World Of Warcraft' ('WoW').
Abgeschaut?
Das Vorurteil ist natürlich blanker Unsinn: 'Warhammer' exisitiert seit Beginn der 80er Jahre: In Pen-and-Paper-Rollenspielen, Romanen, Zinnfiguren, Comics, Strategiespielen und Computer-Rollenspielen. Tatsächlich war es also 'World of Warcraft', das starke Anleihen vom 'Warhammer'-Universum genommen hat, das man allerdings wiederum als Abklatsch von Tolkien's 'Herr der Ringe' sehen kann. Ordnungsmächte und Chaosmächte stehen einander gegenüber. Hochelfen gegen Dunkelelfen, Zwerge gegen Goblins, Menschen gegen Dämonen. Die Online-Variante des 'Warhammer'-Themas gewinnt damit weder einen Preis für das ungewöhnlichste Fantasy-Setting, noch für die originellste Spielmechanik. Beides ist so konservativ wie eine Weihnachtsfeier beim Opus Dei.
Das vorschnelle Urteil vieler Foren-Poster wird verständlicher, wenn man in Betracht zieht, dass 'Warhammer' nicht nur aussieht wie 'World Of Warcraft' oder 'Final Fantasy XI' (also: eh ganz nett, aber eben ein bisschen in die Jahre gekommen) und wenig Content bietet, dafür aber die Spieler geradezu dazu aufstachelt, aufeinander loszugehen. Und so gibt es viele aktive 'WoW'-Spieler, die 'WAR' als eine Art Zweit-MMORPG betrachten. Als PvP-lastige Variante ihres Lieblingsgames. Dazu kommt eine gewaltige Menge an Spielern, die jung sind und am liebsten in grüne Haut schlüpfen: Greenskins (sprich: Goblins und Orks) sind gegenüber anderen Rassen im Vorteil. Balance gibt's in Schere, Stein, Papier.
Gediegen
Der nächste Patch wird das Ungleichgewicht wohl beheben. Nicht aber das Durchschnittsalter der 'WAR'- Spieler auf so manchem Server: es dürfte weit unter 18 liegen. Das finde ich prinzipiell sympathisch, wer aber gediegenes Rollenspiel ohne Griefing erwartet, sollte von Anfang an auf einen der mit "Roleplay" gekennzeichneten Server ausweichen. Dort ist das Durchschnittsalter höher, und die Umgangsformen sind denen der Würfel-und-Lineal-Variante von 'Warhammer' angepasst. Eigentlich ganz lustig.
Schade, dass sich das Geschehen von 'WAR' immer auf vielen voneinander getrennten Servern abspielt, die maximal 500 Spieler aufnehmen können. Von einer großen Rollenspielwelt wie in EVE Online (mit bis zu 45.000 Spielern auf einmal) können 'WAR'-Spieler nur träumen. Von den freien Gestaltungsmöglichkeiten eines 'Second Life' (bis zu 70.000 User auf einem Servercluster) sowieso.
Zum Abschluss fällt mir noch ein Musikvergleich ein: 'Warhammer: Age of Reckoning' ist wie eine Platte von Manowar: die haben 2007 ihr zehntes Studioalbum 'Gods Of War' veröffentlicht: Wie immer sind auf dem Cover die Musiker als muskelbepackte Helden mit Schwertern und Monstern zu sehen, und die Musik trieft vor altbackenem Pathos. In der Masse kann das aber auch Spaß machen.