"Danke, dass du im Winter nach Island kommst", sagt Hilmar Pétursson, Chef des Spielestudios CCP und Veranstalter des "EVE Fanfest 2008". Draußen hat es sieben bis zehn Grad, ungewöhnlich warm für November hier, und die Laugardalshöll ist noch wärmer, weil gut und geothermal geheizt. Gekommen sind wie jedes Jahr etwa achthundert Besucher - und sie reisen aus allen Teilen der Welt an. Beim Abendessen am Vortag bin ich am Tisch mit einem Kanadier, mehreren US-Amerikanern, einem Neuseeländer, einigen Engländern, einem Deutschen und einem Dänen gesessen.
EVE Online ist ein ungewöhnliches Spiel: Schwierigst zu lernen, vielseitig spielbar, und unverzeihlich wie ein Finale der Fußball-WM. Seine Gemeinschaft erscheint heterogener und - ja - intelligenter als die 'gewöhnlicher' Onlinerollenspiele. Aber: EVE Online hat einen geringeren Frauenanteil als andere Games oder virtuelle Welten. Im Rahmen der von CCP veranstalteten EVE Convention, habe ich Alison Wheeler getroffen. Sie ist 52 Jahre alt und passionierte EVE-Spielerin. Sie ist auch Mitglied des vor einem halben Jahr eingeführten "Council Of Stellar Management", der ersten von den Usern eines Onlinerollenspiels demokratisch gewählten Spielervertretung. Und sie hat in Island eine Diskussion zum Thema Frauen in EVE geleitet.
Worüber habt ihr bei eurem Round Table gesprochen?
Es ging darum, dass die meisten Spieler in EVE Männer sind und glauben, dass wir Frauen nicht existieren. Sie sagen: "Du bist doch ein junger Bub, oder?" und "Du kannst meine Raumstation mit Treibstoff befüllen, aber ich glaube nicht, dass du gut im Kämpfen bist." Solche Ansagen kommen meistens von Spielern, die es mögen, andere umzubringen.
Ist das etwas spezielles an EVE, oder ist es gewöhnlicher Sexismus?
Ein bisschen von beidem. Ich habe ein Interview für die New York Times gegeben, es ging dabei um das "Council Of Stellar Management". Der Reporter hat gesagt, ich könnte theoretisch seine Großmutter sein. EVE-Spieler sind 17 oder 52 Jahre alt, und sie spielen auf unterschiedlichste Weise. Der kleinste gemeinsame Nenner heißt: Internet-Raumschiffe. An EVE ist so viel mehr daran, als an einem normalen Rollenspiel, wo es nur ums "Hochleveln" geht. Viele sehen diese Diversität, aber sie sehen nicht die Frauen, die EVE spielen.
Alison Wheeler
Bist du im Wahlkampf für das Council Of Stellar Management speziell an die weiblichen EVE-SpielerInnen herangetreten?
Ja, ich habe alle Kanäle genutzt, die mir dafür offenstanden. Ich weiss aber nicht, ob wir als Frauen einen Vorteil hatten - es gibt nur 2 Frauen im CSM, und das entspricht genau den 5-10% Frauenanteil in EVE. Wir waren also ganz gut, würde ich sagen. Ich sah nicht allzuviele Möglichkeiten, Frauen zu finde, denn das Wahlsystem und das Spiel sind nicht darauf ausgerichtet. EVE SpielerInnen definieren sich eher so: Jemand betreibt gerne Industrie in den sichersten Gebieten der Galaxie, ein/e anderer/e absolviert Missionen in "Low Sec"- Regionen, eine/r ist Pirat in völlig unsicheren Gebieten. Es gibt die unterschiedlichsten Arten, EVE zu spielen, und SpielerInnen erfinden immer wieder neue Methoden - das aber ist unabhängig vom Geschlecht. Ich sehe keine typisch männlichen oder typisch weiblichen Spielweisen.
Für 2009 ist eine große Erweiterung von EVE geplant. Bisher bewegen sich SpielerInnen ausschließlich mit Raumschiffen durch EVE - ab nächstem Jahr wird es auch möglich sein, mit Avataren herumzulaufen. Wie wichtig ist das für dich als Frau?
Ich weiß nicht, ob es Auswirkungen auf die Beliebtheit von EVE bei Frauen hat. Aber: ich finde es sehr interessant. Ich habe früher sehr viel Zeit in Second Life verbracht, und das machte großen Spaß - vor allem, weil ich dort sehr kreativ sein konnte, 3D-Designs entwerfen konnte und vieles andere. In Second Life gibt es sehr viele weibliche Avatare, die von Männern gespielt werden. Die Avatare in den Raumstationen von EVE werden also spannend. Werden männliche EVE Piloten als Frauen herumlaufen? EVE ist eine Sandkiste, in der kreative Spielweise belohnt wird (manche Spieler haben Banken,Versicherungen oder Universitäten eingeführt, Anm.) EVE hat so viele Facetten und es wird interessant, welche neuen Wege die Leute mit Avataren finden.
Ich habe Hilmar Pétursson letztes nach dem Grund für die Entwicklung der EVE-Avatare in Raumstationen gefragt, und er hat gesagt: Wir wollen mehr Frauen in EVE haben. Aber ist das nicht auch wieder eine sexistische Grundannahme: nur weil man dann auch Schuhe verkaufen kann, wird's die Frauen mehr interessieren?
Ja, ich habe das selbst zu Hilmar gesagt. Da ist ein sexistisches Element enthalten, wenn es Frauen auf das Klischee reduziert. Andererseits stellt sich Hilmar die Frage: Wie kommen Menschen in EVE rein - viele EVE-User probieren Dutzende Arten aus, EVE zu spielen, bis sie einen Weg finden, der ihnen gefällt. Aber: Wie wirst du darauf neugierig? Bei einem Film ist das vielleicht ein Trailer. Bei EVE ist es vielleicht ein Bild oder ein Video im Netz. Für Second Life haben sich Freundinnen registriert, weil sie einen Avatar gesehen haben, der etwas trug, das sie mochten. Schuhe sind auch gut. Ich habe viel zu wenig Schuhe nach Island mitgenommen, bei diesem warmen Wetter könnte ich andere tragen (lacht).
Was würdest du derzeit an EVE am liebsten verändern, und bringst du das in die Meetings des Council Of Stellar Management ein?
Viele unserer Ideen sind schon ins Spiel eingeflossen. Interessant ist es, zu beobachten, wie Dinge von SpielerInnen auf andere Weise benutzt werden, als urprünglich gedacht. Gutes Beispiel für mich ist, was alles mit dem Markt veranstaltet wurde. Die von Spielern erfundenen Verträge, oder die Art wie Minerale in Waren verwandelt werden, zwecks einfachen Transports, um sie am Ziel wieder in Minerale umzuwandeln - CCP war davon richtig schockiert. Manchmal kommen die Entwickler von EVE aus dem Staunen nicht heraus, wie die Spieler ihre Erfindungen missbrauchen, und das ist gut so. Daraus entstehen oft die interessantesten Weiterentwicklungen.
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