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New York | 12.3.2008 | 19:21 
Süß/saure Geschichten aus dem Big Apple

Rotifer, Matthews, Ondrusova

 
 
Das M-Wort
  Klack, klack, klack - rumms! Das ist kein staubtrockener Beat, der in meinem Kopfhörer tuckert, so wie er für das neue The Kills-Album 'Midnight Boom' (Domino/Hoanzl) typisch ist. Zu hören sind vielmehr die Western-bestiefelten Schritte von Jamie Hince und das Zuknallen einer Tür.

Während Alison "VV" Mosshart, die eine Hälfte des Duos, sich seelenruhig eine Menthol-Zigarette anzündet und so tut, als wäre nichts geschehen, stürmt Jamie "Hotel" Hince, die andere Hälfte von The Kills, wutentbrannt aus dem Interview-Raum.

Dabei ist kein einziges Mal das verbotene M-Wort gefallen. Ich schwör's, schließlich bin ich ja in Besitz einer digitalen Tonbandaufzeichnung des Eklats, die's beweisen kann.

 
 
vorher
 
 
  Zurückbleiben ein düpierter Musikjournalist, der in einer Menthol-Zigarettenrauch-Wolke sitzt und eine äußerst coole junge Dame, die mich aufmerksam von oben bis unten mustert.

Willkommen im heiß/kalten Wechselbad von The Kills.

Klar, so einfach Umlegen auf das Schaffen der beiden lässt sich die erlebte Situation auch erst in der Nachbetrachtung und durch den Filter der eigenen Plastikrandbrille. Angenehm fühlt sich jedenfalls anders an, wie emphatische LeserInnen sicher nachvollziehen können. Aber ums Wohlfühlen im Sinne von wohlig sein geht es bei den Kills auch nicht.

Vielmehr fordert das englisch/amerikanische Duo in den Songs Chaos, Kreativität und intensivste, individuelle Erfahrungsmomente und zieht vehement gegen sämtliche Lust feindlichen Barrieren vom Leder, die die staatlichen Institutionen nach und nach zwischen uns und unseren Spaß- aber auch Freiheitsgelüsten errichten.

Natürlich ist es etwas doof, wenn man, wie Alison "VV" Mosshart, nur wegen der sich ausbreitenden Smoking Bans zum Glimmstengel greift (so will es jedenfalls die Bandbio), konsequent ihrer Kunst folgend ist es allemal.
 

 
audio
 
title: Prime Cuts The Kills
length: 0:43
MP3 (691KB) | WMA
   
 
 
  Dass die knappen Rock'n'Roll-Pamphlete nur selten dieseits sogenannter gutbürgerlicher Tugenden angesiedelt sind, versteht sich in diesem Zusammenhang von selbst. "It's allright, to be mean", heißt es etwa im Song 'Cheap And Chearful'.

So schöne Songzeilen mindern dann auch mein schlechtes Gewissen gegenüber Mr. Hince und trotzdem: Das verbotene M-Wort ist nicht einmal gehaucht worden in diesem Menthol verrauchten Raum - I swear to the mighty god of Gossip.

Vielmehr war es die immer brandgefährliche und stets zu vermeidende amikale Anbahnung zwischen Künstler und Journalist, die überhaupt erst zu jener Situation geführt hat, in deren Entwicklung nie und nimmer das M-Wort gefallen ist.

Das war nämlich so: Als ich in die Räumlichkeiten des neuen Domino-Büros in Prenzlauer Berg gebeten wurde, tanzten Jamie Hince und Alison Mosshart gerade ausgelassen und ein Laptop wie eine Boombox sportend im Empfangsraum herum.
 
 
 
vorher II
 
 
  In Jamie's digitaler Jukebox lief gerade ein Song der Delta-Blues Legende Bukka White (Hince hört privat fast nur alten Rhythm'n'Blues, Rockabilly und Rock'n'Roll; aktuelle Musik interessiert die beiden nur sehr wenig) und schon waren wir mitten in einer pseudoamikalen Plauder- und Fachsimpelei, die uns schließlich direkt in Teufels Küche bringen sollte.

Nachdem wir nämlich Platz genommen hatten, sang Jamie zuerst in eine Banane und erwähnte dann, wohl auf das gerade entstandene Vertrauensverhältnis bauend, wie genervt er davon sei, dass ihn alle Journalisten ständig über die Beziehung zu der Inhaberin des M-Wort ausfragen würden.

Diese Bemerkung war insofern ein fataler Ankick, da ich ursprünglich gar nicht vorhatte, das M-Wort in meine Fragen einzubinden (was interessiert mich es, ob die beiden Suppe oder Pulver in ihre gemeinsamen Haushaltslöffel geben), jedenfalls bis zu jenem Zeitpunkt, als mein Gedächtnis ein Nick Cave-Zitat hervorkramte, das am selben Tag in dieser Geschichte zu lesen war. Denn da witterte nun plötztlich der studierte, aber in den letzten Jahren sträflich vernachlässigte Medienwissenschaftler in mir eine einmalige Chance, endlich den Typen auf der anderen Seite, also den Journalisten zu überrumpeln, ach was, über den Haufen zu rennen, und eine Frage zum Celebrity-Kult im Allgemeinen anzubringen.
 
 
 
vorher III
 
 
  Der Rest ist "klack, klack, klack - rummms!" Dabei hat selbst der Medienwissenschaftler nicht ein einziges Mal das M-Wort in den Mund genommen.

Dass wir Euch im Rahmen des "FM4-Album der Woche" im Radio dennoch so viele interessante Einsichten und Aussagen rund um das neue The Kills Album anbieten können, liegt - wie vorhin erwähnt - an der Abgeklärtheit von Frau Mosshart (nicht zu verwechseln mit der Trägerin des M-Wortes.) Außerdem ist die aus Florida stammende Wahllondonerin auch Monsieur Le Füchs Rede und Antwort gestanden.

Ob der werte Kollege wohl seinen T-Shirt Spruch 'Minimal My Ass' mit dem Zusatz "Except it KILLS" versehen wird?

'Midnight Boom' ist jedenfalls ein maximales Rock'r'Roll Album mit minimalen Zutaten geworden. Call-And-Response Gesänge, ein analoges Basswummern, spärlich aber umso geschliffenere Gitrarrenriffs und der trockenste, billigste und schärfste Beat seit Mampi Swift's frühen Charge Releases (die Simon Reynolds einmal treffend als Neurofunk bezeichnet hat), zeigen lederbejackten Schwitzern und coolen Clubkids in welchem Reaktor zurzeit die Kernschmelze stattfindet.

Übrigens, im Anschluss an das Interview ist es zu einer versöhnlichen Aussprache zwischen Musiker und Journalist gekommen. Das M-Wort wurde auch bei dieser Gelegenheit nicht in den Mund genommen. Und wenn am folgenden, zweiten Interview-Tag die Abgesanten der Klatschpresse tatsächlich nur Musik bezogene Fragen stellen durften, dann hatte dieser Eklat auch jenseits persönlicher, heiß/kalter Erfahrungswerte etwas Gutes.
 
 
 
Tipp
  Im House of Pain (22 - 0) gibt es heute, Mittwoch 12.03.08, ein The Kills-Special, inklusive dem weiter oben schon angekündigten Interview Christian Fuchs mit Alison "VV" Mosshart.
 
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