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New York | 3.11.2008 | 07:24 
Süß/saure Geschichten aus dem Big Apple

Rotifer, Matthews, Ondrusova

 
 
Warum Obama gewinnen wird
  Oder: Was Hamiltons WM-Sieg mit Obamas Wahlchancen zu tun hat.
 
 
 
  Da hat er sich wieder gemeldet, der kleine Idiot in mir. Ich schätze, er wohnt dort als Restwert kultureller Prägung und persönlicher Unzulänglichkeiten. Der kleine Idiot hält wenig von rationalen Überlegungen und ist somit auf der gefühligen Seite der Entscheidung zu Hause. Sein Urteil fußt weder auf den Werten der Aufklärung noch den Erkenntnissen der Naturwissenschaften, der Philosophie oder der persönlichen Erfahrung. Im Gegenteil: Aberglaube und Mythentand sind die Grundlage seiner Meinungsbildung.

Gestern hat er laut aufgelacht, der kleine Idiot, wie nur einer lachen kann, der sich durch den Lauf der Ergeinisse bestätigt sieht, ins Recht gesetzt, wider die Vernunft. Gestern nämlich steuerte der schneidige Formel-1-Pilot Lewis Hamilton seinen schnittigen McLaren Mercedes so über die Ziellinie, dass er doch noch Weltmeister wurde.

Und da freute sich der kleine Idiot in mir wie ein kleines Kind. Denn der kleine Idiot las den Titelgewinn Hamiltons als Bestätigung eines Ereignisses, das noch gar nicht stattgefunden hat.

 
 
  Die Denke des kleinen Idioten funktioniert nämlich so: Er macht den Ausgang eines Ereignisses von einem anderen abhängig. Dabei gibt es keinen kausalen Zusammenhang zwischen den beiden Vorgängen. Es ist purer Aberglaube, der sie in Relation zueinander setzt und einer Wunschvorstellung geschuldet ist, die die komplexe Realität auf den Geist aus der Flasche reduziert.

Ein Beispiel aus der Schulzeit des kleinen Idioten: Matheschularbeit, nichts gelernt, der Lehrer ohne Verständnis, der kleine Idiot ohne Talent, die vermeintliche Rettung:

Wenn die erste Treppe im Schulhaus genau 10 Stufen hat, dann werde ich diese Schularbeit mit Bravour meistern. Eins, zwei, drei ...

Oben angelangt, fühlte sich der kleine Idiot bestätigt, wenn das Erklimmen der Höhe ergab, dass die Stiege tatsächlich 10 Stufen ausmacht. Waren es aber 9, 11 oder 15, sah der kleine Idiot keinesfalls die Notwendigkeit, den drohenden Kollaps in Mathe zu akzeptieren, weil er ja wusste, dass die Prophezeiung auf Willkür, Angst, Aberglauben und Realitätsflucht basierte, also ziemlich idiotisch war.

Ganz abgesehen davon, dass er sich ja auch verzählt haben könnte. Schließlich hatte er es nicht so mit Mathe.

 
 
  Solcherart sieht sich der kleine Idiot durch seine eigene Inkonsequenz ins Recht gesetzt. Ihm ist deshalb aufs Schärfste zu misstrauen.

Gestern hat sich der kleine Idiot über den Sieg des jungen Briten gefreut, weil er sich im Vorfeld des Rennens in Sao Paolo darauf festgelegt hat, dass Barack Obama die Präsidentschaftswahl gewinnen würde, falls Lewis Hamilton F1-Weltmeister wird.

Es gibt keine rationale Erklärung für diese Überlegung. Der kleine Idiot hätte zum Beispiel lieber Felipe Massa als Champion gesehen, hofft bei der US-Wahl aber auf Obama.

Schlussendlich hat er sich dann doch für den jüngsten aller Formel-1-Weltmeister gefreut. Vielleicht weil er so die Realität mit der Wunschvorstellung aussöhnen konnte, oder weil ihm die Wahl einfach wichtiger ist als ein schöder WM-Titel; vielleicht aber auch deswegen, weil dem kleinen Idioten dämmerte, dass seine krude Gleichung möglicherweise eine rassistische Komponente beinhaltet, die er sich ganz und gar nicht eingestehen möchte.

Vor dem gestrigen F1-Saisonfinale lag Hamilton satte 7 Punkte vor seinem Herausforderer. Am Ende war der Vorsprung auf einen entscheidenden Punkt geschmolzen.

Am Dienstag wird sich zeigen, ob der kleine Idiot ins Recht gesetzt wird - auch wenn das dann natürlich rein gar nichts beweisen würde.

Live-Blog von der Wahlnacht, ab Mittwoch 1 Uhr (MEZ)

 
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