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  Österreich | 3.11.2004 | 17:08   

 
 
Realkapitalismus schwer gemacht
  von Karl Schmoll

Die KPÖ verkauft die Liegenschaft Wielandgasse 2-4. Neben einem Symbol für autonome Gegenkultur stehen damit nicht weniger als 27 verschiedene Initiativen vor dem (sicher nicht kampflosen) Aus. Für MigrantInnen, die im EKH wohnen, steht die Existenz am Spiel.
 
 
 
Ernst Kirchweger
  Am 31. März 1965 demonstrierten in Wien mehrere tausend Menschen gegen den Universitätsprofessor Taras Borodajkewycz. Borodajkewycz, der sich im selben Jahr zu seinem freiwilligen Beitritt zur NSDAP bekannte und andere Wissenschafter als "Juden" titulierte, wurde erst im Herbst 1965 von der Lehrtätigkeit suspendiert und 1966 - mit vollen Bezügen - zwangspensioniert. Bis zu seinem Tod im Jahr 1984 veröffentlichte er weiter zahlreiche Artikel in rechtsextremen Zeitschriften.

Bei der Demonstration gegen Borodajkewycz im Frühjahr '65 wird der ehemalige KZ-Häftling Ernst Kirchweger von dem rechtsextremistischen Burschenschafter Günther Kümel attackiert und so schwer verletzt, dass er zwei Tage später verstirbt. Er gilt als erstes "politisches Opfer" der Zweiten Republik.

 
 
...die Häuser denjenigen, die sie bewohnen
  Seit 1990 wird ein von der (damals) finanzstarken KPÖ wenig bis gar nicht genutztes Haus in der Wielandgasse von AktivistInnen der Wiener HausbesetzerInnenszene und dem linken türkischen Verein atigf besetzt. Als inter/antinationalistisches, antifaschistisches, selbstverwaltetes Zentrum erhält es den Namen Ernst Kirchwegers und gilt als "besetztes" Haus.

Zu den Vermittlern zwischen den Besetzern und der KPÖ gehören damals unter anderem Elfriede Jelinek oder Peter Turrini. Die Verhandlungen enden schließlich im März 1991 mit einem "erkämpften" Mietvertrag zwischen der KPÖ und den Besetzern und sehen einen symbolischen Mietbetrag von 1 Schilling vor. Stimmen aus der KPÖ, das Haus räumen zu lassen, haben bis zuletzt keine Mehrheit im Parteivorstand gefunden.

Seit Beginn 1990 gilt das EKH in der Wielandgasse den bürgerlichen Kräften im Land als Hort des Bösen, und rechte Gesinnungsgenossen wie FPÖ Politiker Hilmar Kabas sprechen von "einer Schaltstelle linksextremistischen Terrors". Glaubt man Berichten aus dem Innenministerium, dann könnte man, überspitzt formuliert, annehmen, in der Wielandgasse 2-4 wird 364 Tage im Jahr Opernballdemo vorbereitet. Für BesucherInnen, die sich bei einer der zahlreichen Gelegenheiten ins EKH "trauen", bietet sich dann oft ein überraschendes und vor allem vielseitiges Bild: Theater und Lesungen, Konzert, free party oder Ladyfest location, die Volxbibliothek im 2. Stock, qu(e)ere Initiativen, Kino und Vorträge, Deserteurs- Flüchtlings- und Rechtsberatung, Proberaum für MusikerInnen, Frauenschreibwerkstatt,... und nicht zuletzt Wohnraum und Heimat für MigrantInnen - ein Bereich, der seit der Besetzung zu den wichtigsten im Haus gehört.


 
 
 
 
  Ein umstrittener Richterspruch um Treuhandkonten stürzt die KPÖ 2003 in eine Finanzkrise. Rund ein Jahr später erfahren die EKH NutzerInnen jetzt aus den Medien, dass ihr Haus von der KPÖ an die "Wielandgasse 2-4 Vermietungsges.m.b.H." verkauft wurde. Neben einem Symbol für Autonomie und Gegenkultur stehen damit über 27 verschiedene Gruppen aus den Bereichen Antifaschismus, Antirassismus, Anti(hetero)sexismus, Kultur, Musik, kollektives Wohnen, eine Bibliothek, das Archiv der sozialen Bewegungen, der Infoladen X oder der Bereich des Flughafen Sozialdienstes vor dem Aus. Notschlafstellen und Langzeit-Wohnungen für MigrantInnen müssen ersatzlos geräumt werden.

 
 
 
Wir bleiben!
  Gestern besucht eine Gruppe EKH SymphatisantInnen in Schlafgewändern die KPÖ Bundeszentrale, um schon mal vorsorglich neue Räumlichkeiten zu inspizieren. KPÖ MitarbeiterInnen alarmieren die Polizei, die sich verwirrt zeigt: "Die waren doch eh so gesprächsbereit - war da ein Einsatz überhaupt notwendig?" Neben ganz grundsätzlichen Forderungen geht's in den Diskussionen immer wieder auch um den neuen Eigentümer: Als Käufer des EKHs tritt eine "Wielandgasse 2-4 Vermietungsges.m.b.H." auf, deren Geschäftsführer ein gewisser "Christian Machowetz" ist. Dieser ist nicht nur gleichzeitig Chef der "Security Management Christian Machowetz GmbH" ist, sondern laut EKH und Szeneinformationen auch ein ehemaliges zahlendes Mitglied der neonazistischen Aktion Neue Rechte (ANR). Die KPÖ nahe Immobilienverwaltung dürfte laut KPÖ Pressesprecher Didi Zach das "politische Screening im Vorfeld" vernachlässigt haben - zumindest wenn sich herausstellt, dass es sich bei Machowetz um jenen handelt, der auch dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands bekannt ist. Machowetz selbst spricht von einer zufälligen Namensgleichheit und überlegt auf Rufschädigung und Verleumdung zu klagen. Die ersten Probleme zeichnen sich schon ab, nachdem die von der KPÖ zugesicherte 6-monatige Übergangsfrist durch Kündigungsschreiben der neuen Eigentümer schon gebrochen wurde. Erste Räumungen könnten bereits ab 1.1. 2005 ins Ernst-Kirchweger-Haus stehen. Für die Bewohner und Freunde steht jedoch fest, dass sie juristisch und politisch alle Möglichkeiten ausschöpfen wollen. Wir bleiben! - so die Parole.

 
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