Du hattest als Kind eine Heuschreckensammlung, warst Mitglied bei den Pfadfindern und hast der abgemagerten Nachbarskatze mindestens einmal pro Woche dein Jausenbrot geschenkt? Du bist seit Jahren Vegetarier/in, und dein bester Freund ist ein abgegriffener Teddybär?
Dann bist du hier goldrichtig.
Krambambuli
Ein Klassiker unter den Tiergeschichten ist definitiv Marie von Ebner Eschenbachs "Krambambuli". Die berührende Novelle, die Ende des 19. Jahrhunderts erschienen ist, ist literarisch höchst anspruchsvoll, jedoch weit entfernt von so manchen Reclam-Schullektüre-Quälereien.
"Vorliebe empfindet der Mensch für allerlei Dinge und Wesen. Liebe, die echte, unvergängliche, die lernt er - wenn überhaupt - nur einmal kennen. So wenigstens meint der Herr Revierjäger Hopp. Wie viele Hunde hat er schon gehabt, und auch gern gehabt; aber lieb, was man sagt lieb und unvergesslich, ist ihm nur einer gewesen - der Krambambuli."
Erzählt wird der Konflikt zwischen dem Jäger Hopp und einem Wilderer, der sich zuspitzt, als Hopp dem besoffenen Outlaw seinen treuen Hund "Krambambuli" (benannt nach einem Kirschbranntwein) abkauft und ihn sich mit viel Mühe und Liebe untertan macht. Als der Jäger während des Showdowns wieder auf Krambambulis Vorbesitzer trifft, kann sich der Hund nicht entscheiden, auf welcher Seite er steht. Seine Treue, die äußerst ergreifend und bildhaft beschrieben ist, führt ihn schlussendlich ins Verderben.
Krambambuli wurde bereits mehrmals verfilmt. An die literarische Vorlage reichen die Filme, u.a. mit Tobias Moretti, aber allesamt nicht heran.
"Krambambuli" von Marie von Ebner Eschenbach, u.a. erschienen bei Bibliothek der Provinz, 2003
Herr Lehmann
In Sven Regeners mittlerweile Fast-Klassiker "Herr Lehmann" ist die Hauptfigur zwar kein Tier, tierisch geht es aber allemal zu. Herr Lehmann wird bald dreißig und ist eigentlich ganz zufrieden mit seinem Leben als Kellner in Berlin/Kreuzberg. Seine Freunde sehen das jedoch anders, und auch als Leser wirst du dich freuen, dass im Verlauf der Geschichte noch ordentlich Wind in Herrn Lehmanns Leben kommt: er verliebt sich, die Berliner Mauer fällt, und er begegnet mehrmals einem Hund.
"Der Hund hatte einen großen Kopf mit einer mächtigen, sabbernden Schnauze und zwei großen, lappigen Ohren, die links und rechts herunterhingen wie zwei welke Salatblätter. (...) Herr Lehmann, (...), hatte noch nie so ein hässliches Tier gesehen. Er erschrak und blieb stehen. Er traute Hunden nicht. Und der Hund knurrte ihn an."
Auch "Herr Lehmann" gibt es bereits in Filmform, mit Christian Ulmen und Detlev Buck. Wenn du eher lesefaul bist, ist auch der Film durchaus zu empfehlen.
"Herr Lehmann" von Sven Regener, erschienen im Eichborn Verlag, Berlin, 2001
Troll - Eine Liebesgeschichte
Was Trolle mit Tieren zu tun haben?, wirst du dich jetzt vielleicht fragen. Diese Frage beantwortet die finnische Autorin Johanna Sinisalo gleich mehrmals in ihrer fantastischen, erotischen Geschichte, in der der schwule Fotograf Mikael ein Trolljunges aus seinem Hinterhof rettet und in seiner Wohnung aufzieht. Das Problem dabei ist, dass er genausowenig - wie wohl die meisten Leser- weiß, wie Trolle eigentlich leben. Aus Lexika und anderen Büchern und von seinem Freund dem Tierarzt holt er sich die nötigen Informationen. Doch wie bedrohlich dieses Wesen in seiner Wohnung wirklich ist, weiß er lange nicht.
"Er sieht mich an wie ein Welpe, aber tief in seinen rotgelben Augen erahne ich die Glut. Er liegt zusammengerollt da. Ich gehe vorsichtig zum Bett, setze mich mit angehaltenem Atem neben ihn auf die Bettkante und betrachte seine sich hebende und senkende, schwarze, schlanke Flanke, seinen hilflosen, aber spannkräftigen Körper. Plötzlich streckt er seine Pfote aus."
Der ständige Perspektivenwechsel ist gewöhnungsbedürftig, die bunte, sehr kunstvolle Sprache von Johanna Sinisalo zieht einen jedoch von Anfang an in den Bann, sodass es leicht passieren kann, dass du diesen tierisch abgedrehten Liebesthriller in einem Zug auslesen wirst. An einem kalten Wintertag ist das ganz gut zu schaffen.
"Troll - Eine Liebesgeschichte" von Johanna Sinisalo, übersetzt von Angela Plöger,
erschienen im Tropen Verlag, 2005