Annina Luzie Schmid ist die Gewinnerin von Wortlaut 07. Die gebürtige Schweizerin studiert in London Kriegs- und Friedensforschung und bloggt auf Words On A Watch. Sie beschreibt ihre Eindrücke von den Tagen der deutschsprachigen Literatur.
Tag eins, Donnerstag
Im Rahmen der Tage der deutschsprachigen Literatur findet der Literaturkurs statt. Am Donnerstag lesen die Teilnehmenden ihre Texte: rückblickend frage ich mich - "Generation einfallslos?"
In der ersten Reihe des Vortragssaales des Musil Hauses in Klagenfurt sitzen neun Stipendiaten, erstmals handselektiert von den Tutorinnen und Tutoren des Literaturkurses, den sie besuchten. Sie sitzen da und tragen, bis auf zwei Ausnahmen, Nichtfarben und bescheidene Erdtöne: schwarz, grau, beige, weiß. Sie sind in meinem Alter, aber keiner von ihnen kommt mir bekannt vor. Umso mehr dafür die Projekte, an denen sie mitarbeiten: Sprachgebunden, Bella Triste, Poetenladen, Lauter Niemand und so weiter. Namen und Autorengruppen, die andere Nachwuchstalente geradezu neidisch machen. Entsprechend blasiert die Attitüde mancher: Eine der Autorinnen hält es beispielsweise nicht für nötig, sich zu bedanken, als ich ihr einen Getränkedeckel aufhebe, der in meine Richtung rollt. Vielleicht ist sie aufgeregt. Gut ist, dass sich der Saal bis auf den letzten Platz füllt, das gibt Hoffnung. Das Publikum ist gemischt, es ist schwer zu sagen, wer nur interessiert ist, und wer im Betrieb was zu sagen hat.
Hannes Becker fängt an. Er hat wie viele hier neure deutsche Literatur studiert. Als erster zu lesen, an diesem Nachmittag, das ist hart, denke ich. Er sagt auch nicht viel, nur einmal Danke am Anfang und noch einmal Danke am Ende. Sein Text ist sprachlich solide, wie alle Texte, die an diesem Nachmittag gelesen werden. Inhaltlich gehört sein Text dank des Freunde-als-Ersatzfamilien-Themas zu den originelleren Arbeiten, obwohl er wie sieben seiner Kollegen in der ersten Person Singular schreibt. Neben dem Trend zur sexuellen Explizität (auch Beckers Text kommt sehr zu meiner Enttäuschung nicht ohne die Wörter Schwanz und Arsch aus) scheint es jenen zur Selbstreflexion zu geben, bei dem ich ja auch mitmache - von dem ich mich an dieser Stelle allerdings gerne verabschieden würde. Es scheint, wir machen uns das Schreiben doch ein wenig einfach.
Selbst Daniela Dröscher, die mit ihrem Text eine der besten Arbeiten des Tages vorträgt, hat - das behaupte ich hier einfach einmal - fast nichts an ihrer Geschichte erfunden. Das an sich ist zwar nicht weiter schlimm, doch wenn sich in jedem textlichen Versuch unserer Generation stets dieselben Bilder wiederholen (Himmel, Straße/ Asphalt, Gras, Hügel, Sommer) und es sich bei jedem zweiten Prosastück um einen "Reisebericht" handelt, dann sind die Ähnlichkeiten schon auffällig. Haben wir denn keine anderen Themen? Ist all die Präsensprosa teilweise konfusen Inhalts wirklich das, was die älteren Hasen von uns jungen Karnickeln hören wollen?
"Was soll nur werden?" fragt Ingeborg Bachmann in "Entfremdung". Ich weiß, was in den nächsten Tagen werden soll: Ein Literaturevent, bekannt für seine Skandälchen, das in Ingeborgs Namen literarische Stimmen versammelt und kürt.
Tag zwei, Freitag
Heuer werden die vorgetragenen Texte erstmals in sieben Sprachen übersetzt, das hat es so vorher ebenfalls noch nie gegeben. Neben den Jurypreisen wird auch wieder der Publikumspreis vergeben, der ausschließlich übers Internet wählbar ist - am Samstag von 18 bis 20 Uhr.
Wir sind zu früh gekommen, aber eigentlich zu spät, denn alle Publikumsplätze waren besetzt. Jetzt, unten beim Presseraum vor dem großen Flachbild sitzt vor uns eine Frau, die sich eine Feder ins Haar gesteckt hat. Sie versperrt uns die Sicht, wenn wir sie bitten, nach rechts zu rücken, rückt sie nach links. Es geht viel um den Osten hier, Ungarn, Russland. So weit, so gut. Jetzt geht es los - mehr dann später ...
Tipp
Annina Luzie Schmid liest am Freitag, 27. Juni im Rahmenprogramm des Bachmannpreises um 19 Uhr im Café des Arcotel Moser Verdino.