Ich bin schon ganz blind vor lauter junger, schmucker, gehypter Bands, die sich in viel zu viel buntes Gewand und viel zu enge Jeans hüllen und mich mit ihrem schick gelecktem Haupthaar zu begeistern versuchen. Mehr als ein paar vergängliche Takte, die ich auf den Clubtanzflächen mithüpfe, sind da bei mir nicht zu holen. Geschweige denn, dass ich mir deren Namen merken kann.
Der blinde Fleck auf meiner Netzhaut hat sich in den letzten Jahren vergrößert, Bands, die optisch in ein derartiges Schema passen, fallen bei mir schnell durch. Ich bin satt. Und trotzdem immer noch so hungrig. 1000 Robota sind mir deshalb letztes Jahr entgangen, als sie ihr Debüt 'Du nicht er nicht sie nicht' veröffentlicht haben. Was für ein Fehler meinerseits.
Hamburg brennt
Vor gut ein paar Wochen: Ich laufe durch Hamburgs Straßen. Mit Ohrstöpseln im Ohr und dem Debüt der drei Herren im CD-Player. Und endlich packt mich wieder etwas. Raketen mitten in mein Herz. Darauf habe ich gewartet und das ziemlich lange. Da knallt es, da scheppert es, da wird es ungemütlich. Zu den Landungsbrücken spaziere ich heute bestimmt nicht mehr.
Ich laufe lieber im Takt weiter, am Molotow auf der Reeperbahn vorbei. Es ist kalt, das Wetter trist und ich würde am liebsten alle um mich herum anschreien und begeistern, mit mir mitzulaufen. Diese gestresste Menschenmasse mit gelangweiltem, fahlen Gesichtsausdruck, die sich gerade in einem ganz anderen Takt als ich in die Arbeit wälzt. Am besten wäre es überhaupt, gleich die ganze Stadt zu beschallen mit diesen Stücken. Ich ertappe mich dabei, wie ich überlege, wie das technisch wohl umsetzbar wäre und in Gedanken schon Kabel und Lautsprecherboxen verlege.
Sie erinnern sich an eine Zeit mit kaputten Gitarren
Vor gut einer Woche dann: 54 Minuten Gespräch mit Anton Spielmann von 1000 Robota. Ich möchte gar nicht mehr aufhören mit ihm zu plaudern. Keine Spur von Arroganz oder Oberflächlichkeit, die den dreien gerne zwecks praktischer Schubladisierung angedichtet wird. Im Gegenteil.
Wir unterhalten uns über die Hypemaschinerie, durch die 1000 Robota dank NME in den letzten Monaten gewälzt worden sind und auch darüber, wie sich nun das Brötchen Einkaufen beim Bäcker im kleinen Heimatort nahe Hamburg gestaltet. Kleinbürgerliche Spießerlichkeit meets Coverstory, da wird der einst als Träumer und Versager belächelte Schulabbrecher doch wieder gegrüßt (nachzuhören in 'Mein Traum').
Wir reden über Punk und Hamburger Schule, die mittlerweile unter einem fetten Grabstein begraben liegen auf dem die Inschriften vom sauren Regen verwaschen worden sind. Aber halt, die Geschichtsschreibung fängt doch gerade erst an und ich sage: Leidige Tocotronic und "Kolossale-Verschwende-Deine-Jugend"-Vergleiche Hin oder Her, 1000 Robota sind im Hier und Jetzt zuhause.
Denn 'das Verlangen, das geht weiter, beschweren kann man sich immer noch!'
Heute gibt es kein Gestern und kein Morgen.
'Schmeiß dein Ego weg und feier' das, was du liebst / Denn was ist dein Leben wert ohne das was grad geschieht?'
Das möchte ich am kommenden FM4-Geburtstagsfest bitte laut und deutlich geschrien hören, damit es mindestens bis nach Donaustadt rüberkracht. Das wird es, das schwöre ich euch.