Ich war ja in den letzten Jahren ein wenig grantig auf M. Night Shyamalan. Und zwar gerade weil dieser Mann eigentlich über ein unheimliches Potential verfügt. Unheimlich im wahrsten Sinn des Wortes. Mit Ausnahme einiger japanischer Genremeister versteht kein Gegenwartsregisseur die Mechanismen der Angsterzeugung im Kino so gut, drückt derartig perfekt die richtigen Knöpfe beim Betrachter, schürt vor allem immense Erwartungshaltungen.
Ich erwähne nur die rätselhafte Exposition von 'Unbreakable', die Bruce Willis als einzigen Überlebenden eines fatalen Zugunglücks zeigt. Oder das leise Grauen in der ersten Hälfte von 'Signs', wo sich auf einer kleinen Maiszüchter-Farm apokalyptische Ereignisse ankündigen. Es hätte nicht viel gefehlt und diese beiden Streifen wären als Suspense-Klassiker in die Filmgeschichte eingegangen.
M. Night Shyamalan
Leider blieb am Ende doch nur ein Kino der leeren Versprechungen übrig. Die sorgsam inszenierte Aura des Mysteriösen mutiert im Fall von 'Unbreakable' plötzlich zur simplen Comicstory, die beklemmende Stimmung von 'Signs' löst sich in billigen X-Files-Zitaten und einer Überdosis religiösem Kitsch auf. Sogar der an sich geschlossenste Film von Shyamalan, sein doomiges Hollywood-Debüt 'The Sixth Sense', krankt an zu vielen schwulstigen Momenten.
Ich bereitete mich also beim neuesten Werk des Mystery-Spezialisten wieder einmal auf eine besonders banale Auflösung vor. Auf einen finalen Twist, der mir letztlich den Film verderben würde. Aber es geschehen noch Zeichen und Wunder. 'The Village' funktioniert. Beklemmt ohne Spezialeffekte. Fesselt ohne peinliche Oneliner. Rührt ohne das übliche Schmalz.
Noch mehr als das: Erstmals hat ein M. Night Shyamalan-Film einen Subtext anzubieten, der tiefer geht als die Holzhammer-Botschaften seiner früheren Blockbuster.
'The Village'
Ones we cannot speak of
Wie aber nun über diesen Streifen reden, ohne ihm auch nur einen Hauch von seinem Geheimnis zu nehmen? Wie davon schwärmen, ohne das bei Shyamalan-Produktionen so essentielle Schweigegelöbnis zu brechen, das ich in diesem Fall sogar schriftlich dem Verleih gegenüber leisten musste?
Nur so viel: 'The Village' ist ein langsamer Film, in dem man sich verlieren kann, voller hypnotischer Kamerafahrten und Gänsehaut erregender Soundeffekte, malerischer Farben und ausdrucksvoller Gesichter. Ein Film, dessen magische Atmosphäre dich hineinsaugt, weit weg vom nervtötenden Alltag.
Auch die Bewohner des kleinen amerikanischen Dorfes, das im Zentrum der Erzählung steht, wollen mit dem Getriebe der Zivilisation nichts zu tun haben. Irgendwann im 19. Jahrhundert leben sie völlig abgeschottet am Rand eines dunklen Waldes. Was dort drinnen in der Finsternis lauert, hält auch die neugierige Dorfjugend von eventuellen Streifzügen in umliegende Städte ab. "Ones we cannot speak of" werden die Kreaturen flüsternd genannt, wer ihnen in die Klauen gerät, erzählen die Dorfältesten, ist verloren.
Die Dorfidylle: Adrian Brody und Bryce Dallas Howard
Nicht in den Wald zu gehen, ist aber nur die eine Sache. Die gruseligen Wesen reagieren auch empfindlich auf die Farbe Rot. Eine Handvoll Beeren, ein Kleidungsstück oder ein Blutfleck vermag sie anzulocken, heißt es. Und weil sich jede friedvolle Idylle, mag sie noch so bemüht sein, irgendwann als Lüge erweist, fließt eines Tages die rote Körperflüssigkeit in Strömen in dem Dorf. Bald raschelt es in den Bäumen, Äste knacken, gehäutete Tiere werden gefunden, riesenhafter Besuch kündigt sich an.
Spätestens ab diesem Moment des bevorstehenden Angriffs könnte sich 'The Village' zu einem abgedroschenen Monstermovie wandeln. Oder was-weiß-ich für eine Wendung hin zu klischeehaften Schock-Späßchen nehmen. M. Night Shyamalan bleibt aber todernst und so lange wie möglich dem schleichenden Schrecken alter Gothic Novels treu. Und wenn man dann das Ende längst ahnt, wird es vom Regisseur doch in einer Weise exekutiert, die unter die Haut geht. Letztlich wandelt sich 'The Village' zu einer Untersuchung über Unschuld und Gewalt, über Religion und Panikmache, über Angst und die Liebe, die sie zu überwinden versucht.
Rote Warnsignale
Eine Parabel, die mehr über das Gegenwartsamerika aussagt als so manche Politdoku. Großartige Schauspieler wie Joaquin Phoenix, Sigourney Weaver oder die Newcomerin Bryce Dallas Howard inbegriffen. Es geschehen noch Zeichen und Wunder.
Horch, was kommt von draußen rein: Joaquin Phoenix