Das hatte ich mir nun am allerwenigsten erwartet. Da kommt ausgerechnet eines dieser topaktuellen wie überflüssigen Horror-Remakes daher und drückt mich angespannt in den Kinosessel hinein. 'The Hills Have Eyes' geht so kompromisslos zur Sache, dass sämtliche aalglatten Reanimationen der letzten Zeit verziehen sind.
Vergessen ist auch der obligatorische Blick auf die Uhr, der zu vielen Pressevorführungen gehört. Stattdessen klappt der Mund des Schreibers dieser Zeilen immer wieder verblüfft auseinander. Oder verzerrt sich zu einem diabolischen Grinsen.
Talent aus Frankreich
Ähnliche Reaktionen provozierte vor geraumer Zeit auch ein Film in meinem Heimkino. 'Haute Tension' fesselt mit einer grimmigen Atmosphäre, die dem Genre nach unzähligen postmodernen Infantilitäten und jugendfreien Gespenstergeschichten abhanden gekommen schien.
Leider hält der französische Schlitzerstreifen, der unter dem Titel 'High Tension' in Videotheken zu finden ist, am Ende dann doch nicht, was die erste Hälfte verspricht. Mit einem Twist, wie er dümmer nicht sein könnte, führt Regisseur Alexandre Aja sein nervenzerfetzendes Werk ad absurdum.
Trotzdem notierten sich Horrorfans in aller Welt den Namen des jungen Filmemachers. Und nicht nur die. Hollywood angelte sich Aja blitzschnell für eine Auftragsarbeit, die sich vorab höchst vernachlässigenswert anhörte. Ausgerechnet 'The Hills Have Eyes' aus dem Jahr 1977 sollte der Franzose neu adaptieren, eine frühes Schundfilmchen des 'Scream'-Schöpfers Wes Craven. Abseits des prachtvollen deutschen Verleihtitels 'Hügel der blutigen Augen' hatte dieser schrottige Mutanten-Thriller wenig zu bieten.
Feindliche Einheimische
An der grundsätzlichen Geschichte änderte Alexandre Aja wenig. Die ist noch immer so dünn wie in den späten Seventies. Wie in unzähligen vergleichbaren Streifen strandet auch hier eine Gruppe von biederen Großstädtern in der völligen Ödnis und trifft dort auf ausgesprochen feindliche Einheimische. Viel mehr ist da nicht.
Aber wie der Regisseur Vater und Mutter Carter (Kathleen Quinlan und Ted Levine) einführt, die mit Töchtern und Schwiegersohn, Baby und Schäferhunden im Gepäck in der Wüste festsitzen, das ist bereits um jenes entscheidende Quentchen anders erzählt. Hier nimmt ein scheinbar schablonenhafter Schocker sein alltägliches Personal ernst, auch der belangloseste Smalltalk wirkt besser beobachtet als sonst.
Wenn dann erst relativ spät die Hölle losbricht und ein infernalischer Angriff auf den Wohnwagen der Familie stattfindet, ist man mit den Protagonisten bereits bestens vertraut. Keine Comicfiguren müssen da um ihre Haut kämpfen, sondern die Nachbarn von nebenan.
Zynische Seitenhiebe
Geschont wird bei der folgenden Auseinandersetzung niemand, selbst Kinder und Tiere sind im Reich des Alexandre Aja nicht sicher. Wie schon in 'High Tension' gelingen dem Regisseur auch diesmal Momente des blanken Terrors. Schließlich sind es auch keine gewöhnlichen Redneck-Irren, die es da auf die Touristen abgesehen haben, sondern schwerstens verseuchte Opfer aus einem Atomversuchs-Sperrgebiet.
Was dem Film nebenbei Gelegenheit für etliche bissig-zynische Seitenhiebe auf Gods own country gibt. Amerika schafft sich seit jeher seine eigenen Todfeinde, hämmert 'The Hills Have Eyes' dem Zuschauer ein, ob Serienkiller, Terroristen oder eben entstellte Mutationen, all diese Monstren gebiert der Kapitalismus selbst.
George Romero, der Papa des semi-sozialkritischen Zombie-Kinos, erzählte in seinem letzten Werk 'Land Of The Dead' von einer ähnlichen Endschlacht zwischen den verfaulenden Systemopfern und den braven Durchschnittsamerikanern, die um ihr Überleben ringen. Allerdings durchzog ein beinahe versöhnlicher Tonfall dieses zwiespältige Comeback, deutete der nostalgische Humanist Romero doch am Ende sogar eine Koexistenz mit den Zombies an.
Alexandre Aja, der zornige Pariser in Hollywood, verzichtet auf solche Hoffnungschimmer und ist damit viel näher an unserer unversöhnlichen Gegenwart dran. Auch der junge Schwiegersohn Doug (Aaron Stanford), zuvor wegen seines Pazifismus und Engagement für die Demokraten von der konservativen Familie gehänselt, greift letztlich zu den Waffen. Und 'The Hills Have Eyes' wandelt sich vom Horrorfilm zum gnadenlosen Rachedrama.
Ein Mann sieht rot
Natürlich haftet so einer Wendung ein reaktionärer Unterton an. Aber sie hat auch etwas menschlich äußerst Nachvollziehbares. Und gerade darin unterscheidet sich dieser Film von anderen Produktionen der neuen Hardcore-Horror-Welle. Während man etwa sämtlichen grob skizzierten (Stereo-)Typen in 'The Devils Rejects', ob Serienkillern oder Gesetzeshütern, von der ersten Minute an einen raschen Tod wünscht, gehen einem die Carters zwar bisweilen auf die Nerven. Aber ihr Schicksal lässt nicht kalt.
Im Gegenteil. Wo das Fanboy-Kino eines Rob Zombie nur morbide Selbstreferentialität produziert, zwingt einen der altmodische Identifikationsansatz von Aja in viel tiefere Gefilde. Wer da nicht seine eigenen niedrigsten Instinkte spürt, der lügt. 'The Hills Have Eyes': Spannungskino der zutiefst pessimistischen Sorte.