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Wien | 6.4.2007 | 12:47 
Twilight Zone: Musik-, Film-, Comics & more aus den schummrigen Gebieten des Pop.

Rotifer, Blumenau

 
 
Kampf der Kulturen
  Sie sind mir schon im Geschichtsunterricht extrem negativ aufgefallen, die Spartaner. Als jemand, der beispielsweise jede Art von Leibesübungen wie die Pest hasste, kamen mir die männlichen Bewohner des griechischen Stadtstaats mit ihrer eisernen Disziplin da gerade recht.

Wie bitte, Bequemlichkeiten sind tabu? Schwächliche oder Behinderte werden sofort nach der Geburt in eine Schlucht geworfen? Nur der Starke zählt? Als verträumtem Comicfreak, der äußerst ungern den Platz auf der Couch verließ, konnten mir solche Ideale den Buckel runterrutschen.

Es ist ja schon wieder beinahe bizarr, dass ich mich als Kind mit Hilfe der (Anti-)Helden aus diversen Bildergeschichten gegen die fiese spartanische Umwelt (sportfanatische Mitschüler, diktatorische Lehrer) wappnete. Und jetzt ist es ausgerechnet eine ambitionierte Comicverfilmung, noch dazu von einem durchaus geistesverwandten Fanboy gedreht, die sozusagen die Position des Feindes einnimmt.

Genau das ist nämlich tatsächlich der Punkt bei '300', mal abseits der teilweise zu hysterisch politisch korrekten Warnungen: Zack Snyders ultrastilisiertes Schlachtenepos ist nicht nur ein Film über die Spartaner und ihre dämliche Weltsicht. Es ist ein weit über jede Kitschgrenze hinaus ästhetisiertes Denkmal für spartanische Tugenden, eine als reines Spektakelkino getarnte Heiligsprechung von strenger Auslese und brutaler Abhärtung.
 
 
Strahlende Überhelden
  Schon die ersten Szenen machen klar, dass sich dieser Streifen wohl nicht von seinen Protagonisten distanzieren wird, jeden Hauch von Ironie (man denke nur an den Camp-Achilles, den Brad Pitt in 'Troja' verkörpert) sucht man vergeblich. Von psychologischen Ansätzen, wie sie in den Comic-Blockbustern der letzten Jahre en masse zu finden sind, gar nicht erst zu reden.

Natürlich, könnte jetzt ein berechtigter Einwand lauten, liegt das Problem vielleicht schon in der martialischen Vorlage von Frank Miller. Aber oft ist eben eine besonders pingelige Übersetzung genau der falsche Weg. Während Miller in seinen Comics seit jeher auf getriebene, pathologische Männerfiguren setzt, wie man sie aus schmutzigen Italowestern und verstörenden Noir-Streifen kennt, feiert der Film '300' die Spartaner als ungebrochene, auch noch im Untergang strahlende Überhelden.

 
 
Zirkus der Freaks
  Das Gemetzel, das im Zentrum des Films steht, kennt man aus antiken Tragödien und Legenden: 300 Spartaner stellten sich am Thermopylenpass einer gigantischen Übermacht der persischen Armee - und dem sicheren Tod. Zack Snyder zeigt dieses Blutbad auch als einen drastischen Kampf der Kulturen, Ethnien und geschlechtlichen Zuordnungen.

Zwar würden auch die stolzen Griechen mit ihren spärlich bekleideten Luxuskörpern und Achtziger-Frisuren bestens in einen Gay-Porno passen. Aber dieses Faktum scheint dem Film ebenso peinlich zu sein wie die historisch belegten homosexuellen Präferenzen der echten Spartaner.

Stattdessen steht den edlen Recken eine latent schwule und weitgehend schwarze Horde aus dem Orient gegenüber, inklusive einem Zirkus der Freaks, Deformierten, Perverslingen und 'Lord Of The Rings'-Monstren, wo es dann hinter den Kulissen bald mal so zugeht wie backstage bei Marilyn Manson. Und während der markige König Leonidas an einer Stelle sogar über verweichlichte "Boylovers" schimpft, gockelt sein persisches Pendant Xerxes als ganzkörpergepiercte Drag Queen herum.

 
 
Trotzdem blutleer und steril
  All dieser Unfug könnte natürlich dennoch als überteuerter Schund blendend funktionieren, wenn Zack Snyder den tiefschwarzen Sarkasmus von Frank Miller einfließen hätte lassen. Oder auch nur ein Quäntchen vom bösen Humor eines Paul 'Starship Troopers' Verhoeven hätte.

Doch Fehlanzeige, mit einer Verbissenheit, die an die Bushidos und Sidos dieser Welt denken lässt, reiht '300' mehr dumme Stereotypen aneinander als sämtliche Historienspektakel der letzten Jahre. Sowohl der bereits erwähnte altmodische 'Troja' als auch der eigentlich verkorkste 'Kingdom Of Heaven' waren da weiter in ihrer Zeichnung von Freund und Feind.

Aber egal, sagen die Fans, in '300' geht es ohnehin nur um die angeblich atemberaubende Ästhetik. Sorry, aber was der brachiale Trailer visuell verspricht, hält keineswegs auf voller Kinolänge. Die vielgelobte Optik nutzt sich rasend schnell ab, viel zu oft blitzt durch, dass Zack Snyder aus der aalglatten Werbeszene kommt. Trotz der Hektoliter an digitalem Hämoglobin, die herumspritzen, wirkt '300' erstaunlich blutleer und steril.

Die Diskussion tobt nun auch hierzulande. Wohl nur Verschwörungstheoretiker werden glauben, dass '300' bewusst als Propagandastreifen angelegt wurde, um die wahren Werte des Westens gegen den bösen Osten auszuspielen. Dass Zack Snyders Streifen aber, um meinen Kollegen Joel Kairo zu zitieren, wie eine Videospielverfilmung von Mel Gibson und Leni Riefenstahl aussieht, diesen Vorwurf muss sich der Regisseur gefallen lassen.

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  Hans Wu über '300'

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