fm4.ORF.at ORF.at login
StreamPodcastsMail an FM4
zurück zur TitelseiteSOUNDPARK - Your Place for Homegrown MusicSTATION - alles rund um den RadiosendernotesCHAT
Wien | 14.6.2007 | 14:22 
Twilight Zone: Musik-, Film-, Comics & more aus den schummrigen Gebieten des Pop.

Rotifer, Blumenau

 
 
Blutiges Business
  Braucht ein Film wie 'Hostel' wirklich eine Fortsetzung? Diese Frage haben sich wohl nicht nur entgeisterte Jugendschützer und Moralisten gestellt. Sondern auch die Fans.

Der ungewöhnliche Erfolg dieses Horrorspektakels beruhte zumindest in den USA auf den irrationalen Ängsten, die der Film bediente.

An die simple Weltsicht schwarzweißer Grusel-Klassiker aus den Dreißigern anknüpfend, verkaufte Regisseur Eli Roth den Amerikanern das gute alte Europa als Sündenpfuhl und Zone der latenten Gefahr. Da gibt es eine mysteriöse Organisation in der Nähe von Bratislava, die ahnungslose Rucksacktouristen aus einer Jugendherberge entführt. Die armen Opfer erwachen in einer stillgelegten Fabrik, wo reiche und mordgeile Kunden bereits das Messer wetzen. Der perfekte Stoff für moderne Mythen, die sich naive Backpacker aus Wisconsin am Lagerfeuer erzählen.

Die Hintergründe des Grauens blieben in 'Hostel' bewusst im Dunklen, nur die Visagen einiger perfider Folterknechte waren zu sehen.
 
 
Das biedere Böse
  'Hostel 2' scheint nun am Anfang den klassischen Fehler aller Fortsetzungen zu machen. Der Schrecken bekommt plötzlich ein banales Gesicht, wir lernen den Mann kennen, der mit dem Verkauf unschuldiger Touristen sein Geld verdient. Eli Roth, der auch die Fortsetzung schrieb und drehte, kostet dabei wieder genüsslich sämtliche morbiden Osteuropa-Klischees aus.

Aber im Verlauf der Handlung verwandelt sich der Minuspunkt in einen Vorteil.

'Hostel 2' schildert nämlich nicht nur das Schicksal dreier junger Amerikanerinnen, die diesmal in die Fänge der Folter-Mafia geraten. Der Film erzählt parallel auch die Geschichte von zwei wohlhabenden US-Geschäftsleuten, die vom ultimativen Kick träumen: endlich einmal jemanden grausam hinzurichten.

Am Beispiel dieser beiden Businesstypen, die zum Todestrip in die Slowakei aufbrechen, gelingt Roth die härteste Kapitalismuskritik, die das aktuelle Hollywoodkino zu bieten hat. Es sind die bieder wirkenden Familienväter mit dem fetten Bankkonto und dem Konzernbackground, die in 'Hostel 2' das global regierende Böse verkörpern.

 
 
Splatter-Exzesse und Trash-Zitate
  Im Gegensatz zu Horror-Regieveteranen wie George A. Romero oder Joe Dante glaubt der Thirtysomething Eli Roth aber nicht mehr an idealistische Auswege aus dem Terror der totalen Marktwirtschaft.

Wenn die vermögenden Folterknechte irgendwie zu schlagen sind, macht ein an spöttischem Sarkasmus nicht zu übertreffendes Finale klar, dann nur mit ihrer eigenen Eiseskälte und noch mehr Geld.

Solche pessimistischen Gegenwarts-Analysen sind natürlich nur ein Teil des Films. Erwartungsgemäß suhlt sich Saubartel Roth wieder in Splatter-Exzessen und kann es als Tarantino-Kumpel auch nicht lassen, trashige Exploitationfilme aus den 70ern zu zitieren. Diese Mischung aus Jess Franco-Schund, Ruggero Deodato-Ungusteleien (der 'Cannibal Holocaust'-Schöpfer hat auch einen Gastauftritt), infantiler Komik und einem Hauch von Pasolinis Faschismus-Schocker 'Salo' muss man erstmal verdauen.

Wer sich an den Bildern von gequälten und gefesselten Frauen auf finstere Weise delektieren will, hat es in 'Hostel 2' aber schwer. Denn im Vergleich zu den dumpfen Backpackern aus dem ersten Teil verleiht Roth seinen weiblichen Hauptfiguren ein Maximum an Menschlichkeit. Sämtliche Männer dagegen repräsentieren nur verschiedene Facetten der Niedertracht.

 
 
Kompromissloses Genrekino
  All das scheinen die Gegner des Films nicht zu sehen. Bereits in den USA höchst umstritten, hätte 'Hostel 2' in Deutschland gar nicht anlaufen sollen. Die 'Freiwillige Selbstkontrolle der deutschen Filmwirtschaft' attestierte dem Sequel "schwere Jugendfährdung". Nun kommt der Streifen doch in unserem Nachbarland in die Kinos, aber drastisch gekürzt, wie man hört. Ganz im Gegenteil zu den heimischen Lichtspieltheatern, wo der Streifen ungeschnitten zu sehen ist.

Die Hardcore-Horror-Welle der letzten Jahre ist wieder im Abflauen, nur mehr höchst abgestumpfte Nerdbuben freuen sich etwa auf weitere Teile der 'Saw'-Saga und die dazugehörigen 'Torture Porn'-Szenarios.

Eli Roth dagegen wird mit jedem Film besser und verwandelt sich langsam zu einem Regisseur, der das obszöne Leben im 21. Jahrhundert in kompromisslose Genrestreifen verpackt.

In 'Hostel 2' verbergen sich mehr pechschwarze Witze und gemeine politische Seitenhiebe als bei der gesamten aktuellen Splatterkonkurrenz. Das sollten auch jene erkennen, die bei diesem Film nur blutrot sehen.

fm4 links
  hostel2.com
   
 
back
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick