Im Grunde ist das Weihnachtsfest natürlich völlig resistent gegen jede Kritik. Hören sich doch vorwurfsvolle Bemerkungen über die Hektik der Adventzeit und den sinnentleerten Shoppingwahn längst ebenso klischeehaft an wie sämtliche künstlichen Beschwörungen der Idylle und Besinnlichkeit.
Menschen wie der Schreiber dieser Zeilen, die dem ganzen Rambazamba sanft ablehnend bis apathisch gegenüber stehen, bleibt also nichts anderes übrig als der stille Rückzug. Alkohol ist rund um die Feiertage auch immer eine gute Hilfe.
Viel gesünder ist es aber, über Weihnachten und die zwanghaften Familienzusammenführungen und das dazugehörige seelische und körperliche Völlegefühl einfach zu lachen.
Hier würde potentiell eigentlich eine große Marktlücke für die Filmindustrie liegen. Aber wirklich lustige Weihnachtskomödien, die vor bitterbösen Momenten ebenso wenig zurückscheuen wie vor härteren Gags und dem essentiellen Quäntchen emotionaler Aufrichtigkeit, die scheinen riskant. Und sind damit höchst selten zu finden.
'Four Christmases' ('Mein Schatz, unsere Familie und ich') verspricht zunächst ein Film aus dieser raren Gattung zu sein.
Traumatische Erfahrungen
Keine Glöckchen, kein Klingeling, kein Santa Claus. Alle Jahre wieder flüchten Kate (Reese Witherspoon) und Brad (Vince Vaughn) vor der zwanghaften Besinnlichkeit in ein sonniges Urlaubsland. Vor allem flüchten die beiden einstigen Scheidungskinder aber vor ihren Familien und dem dazugehörigen psychischen Stress.
Aber diesmal läuft alles schief. Am Weihnachtsmorgen wird der Flug ins exotische Ferienparadies wegen Bodennebel gestrichen und ein Fernsehsender rückt dazu ausgerechnet Kate und Brad ins Bild, die in der Abflughalle verzweifelt warten.
Das Weihnachtsverweigererpaar muss sich wohl oder übel auf die Feierlichkeiten im Kreise der lieben Familie einstellen. Genauer gesagt, im Kreise von vier lieben Familien. In einem Marathon besuchen die beiden panischen Protagonisten ihre Mütter und Väter plus deren aktuelle Lebenspartner plus Verwandte und Bekannte.
Es wird eine Reise des Schreckens, bei der alte Kindheitsängste wieder erwachen und traumatische Teenagererfahrungen zurückkehren.
Ernsthafte Botschaft
Einen Moment lang bin ich Naivling tatsächlich auf 'Four Christmases' hereingefallen. Es ist eine wahre Weihnachtshölle, die der ehemalige Indieregisseur Seth Gordon in seinem Mainstreamdebüt präsentiert. Ein Fegefeuer aus grantigen Vätern, religiös durchgeknallten Müttern, strohdummen Brüdern, gestörten Schwestern, verzogenen Neffen - und kotzenden Babys.
Aber wie befürchtet erweisen sich der köstliche Sarkasmus, die erfrischende Misanthropie der ersten Filmhälfte nur als Vorwand.
Immer mehr rührselige Momente schleichen sich in die rabiate Comedy hinein und nach dem letzten Familienbesuch passiert das Unausweichliche. 'Mein Schatz, unsere Familie und ich' verwandelt sich in eine Weihnachtsschnulze mit ernsthafter Botschaft.
Die Message lautet: Du sollst deine Familie lieben, auch wenn sie wie im Film aus lauter indiskutablen Vollidioten besteht.
Okay, diese Aussage könnte man im Zeichen der Weihnachtsamnestie noch durchgehen lassen. Aber der Film gönnt seinen Hauptfiguren auch kein Leben ohne Trauschein und Kinder. Erst als Reese Witherspoon und Vince Vaughn von Ehe und Nachwuchs zu träumen beginnen, kehrt der Weihnachtsfrieden ein.
Sarkastische Alternativen
Eine klassische Advent-Mogelpackung also. 'Four Christmases' ist aber auch eine seltene Verschwendung von Schauspieltalent. Mit John Voight, Mary Steenburgen, Robert Duvall, Sissy Spacek und Reese Witherspoon agieren gleich fünf Oscarpreisträger unter ihrem Niveau.
Wie gesagt: Es gibt Momente, da bringt dieser Film den Weihnachtswahnsinn schon ganz köstlich auf den Punkt. Aber danach bleibt allen Festtagsskeptikern wohl das Lachen im Hals stecken.
Wer eine sarkastische Alternative ganz ohne Zuckerglasur sucht, muss nur einen Abstecher in die nächste Videothek machen. Mit der blutigen Tragikomödie 'In Bruges' ('Brügge sehen und sterben') entstand heuer einer der schönsten Quasi-Weihnachtsfilme.
Die beiden 'Gremlins'-Teile zählen auch längst zum düsteren Adventkanon, genauso wie Tim Burtons makabres Animationsmärchen 'A Nightmare Before Christmas'.
Der allerbeste Helfer gegen festliche Verstimmungen heißt aber 'Bad Santa'. Billy Bob Thornton als fluchender, saufender und grundsätzlich verdorbenster Weihnachtsmann ever ist einfach ungeschlagen. Wie sich in den Hardcore-Humor dieses Films allmählich doch Herzenswärme einschleicht, ganz ohne Einsätze von Streicher-Armeen und reaktionäres Schmalz, das beschert sogar Christbaum-Allergikern wie mir feuchte Augen.