Österreich hat alles, was es für einen perfekten Horrorfilm braucht. Dunkle Wälder, zerklüftete Berglandschaften, geheimnisvolle Seen, triste kleine Dörfer. Und neben all den sinistren ländlichen Kulissen ist da natürlich eine Stadt wie Wien, mit ihren Unmengen an morbiden Locations.
Wer nach Geschichten sucht, um all diese düsteren Schauplätze zu bespielen, wird auch ganz schnell fündig werden.
Die österreichische Seele ist abgründig, sagt man, und ein Blick in den Lokalteil der Zeitungen gibt diesem Klischee regelmäßig recht. Wenn es um erschütternde Meldungen und grausige News geht, ist die Alpenrepublik auf traurige Weise vorne mit dabei.
Warum gehören Horrorwerke wie Andreas Prochaskas großartiger neuer Alpinschocker 'In 3 Tagen bist du tot 2' dennoch zu den Ausnahmen am heimischen Filmsektor? Warum verpacken Filmemacher bei uns die rabenschwarze Realität lieber in seriöse Sozialdramen als in unterhaltsame Genrewerke?
Seltsame Grenzgänger
Die Antworten auf diese Fragen sind vielfältig. Ein Blick zurück in die Filmgeschichte führt direkt in die Nazizeit, als die ganz großen Talente und Genreinnovatoren freiwillig oder gezwungenermaßen aus dem Land flüchteten. Während die Premingers und Wilders ihre Meisterwerke in Hollywood drehten, blieben Propagandaregisseure mit verlogenen Durchhaltefilmen zurück.
Nach dem Krieg regierte erst recht die picksüße Idylle. Schlagersänger beschwörten auf der Leinwand die heile Wirtschaftswunderwelt, der Heimatfilm boomte.
Mitten im Folklorekitsch gab es seltsame Grenzgänger. Der Kinoschönling Adrian Hoven mimte vor der heimischen Kamera den fröhlichen Förster, im Ausland drehte er Filme mit schönen Verleihtiteln wie 'Im Schloss der blutigen Begierde' oder 'Küß mich, Monster'. Mit 'Hexen geschändet und zu Tode gequält' lieferte Hoven 1973 als Regisseur einen der wenigen Schlüsselfilme des Austro-Horrors ab.
Keine Chance für Genreansätze
Mit dabei an Adrian Hovens Seite agierte der bis heute einzige richtige Bösewicht des Ösi-Gruselkinos: Herbert Fux - der als Hexenjäger, Folterkecht oder Beelzebub Karriere machte, später als legendärer Abgeordneter der Grünen.
Andere österreichische B-Movie-Darsteller wie der Steirer Werner Pochath oder die Salzburgerin Sybill Danning drehten ihre Schundexkursionen im sonnigen Ausland. Denn in Italien oder Spanien florierte der Horrortrash, während sich die wenigen Produzenten bei uns nur an Liebesschnulzen oder Softsexfilmchen wagten. In den 80er Jahren starb der heimische Genrefilm dann überhaupt einen kläglichen Tod.
Der Autorenfilm übernahm in den Neunzigern, künstlerisch ambitionierte Regisseure drängten vor. Namen wie Ulrich Seidl, Michael Haneke oder Barbara Albert sorgten weltweit für Aufhorchen.
Das ist natürlich eine höchst begrüßenswerte Angelegenheit. Schade ist allerdings, dass Genreansätze zwischen Filmakademie und Diagonale kaum mehr eine Chance haben.
Jugenddrama mit Schockfaktor
Dass sich mörderische Traumata mit den Mitteln der Unterhaltung exorzieren lassen, dieser Ansatz scheint intellektuellen Filmemachern ebenso fremd wie Teilen der Kritik. Der latente österreichische Horror, der in Gemeindebauwohnungen und Bauernhöfen lauert, darf nur ungeschönt, karg verpackt und möglichst trostlos verarbeitet werden.
2006 beweist endlich ein Regisseur, dass es auch anders geht.
Der ehemalige Haneke-Cutter Andreas Prochaska dreht ein genuin österreichisches Jugenddrama, überwiegend mit Laiendarstellern, im Dialekt und mit Feingefühl, und trotzdem mit erhöhtem Schockfaktor.
Mit 'In 3 Tagen bist du tot' nutzt ein Film endlich die eingangs erwähnten Szenarien und importiert das Teenieslasher-Genre nach Ebensee. Dass sich dieses Werk dabei trotzdem nicht krampfhaft an US-Stereotypen anbiedert, ist besonders bemerkenswert.
Alpiner Splatterthriller
Das Sequel übertrifft nun das Original in mancher Hinsicht. Prochaska bedient sich erneut bei einem berüchtigten Gänsehauttopos, in diesem Fall dem Backwoodhorror à la 'Texas Chainsaw Massacre', übersetzt die dazugehörigen Vorgaben aber noch viel freier und eigenständiger.
Der klaustrophobisch inszenierte Terror, in den die junge Protagonistin Nina in der verschneiten Tiroler Bergwelt hineingerät, hat eine ganz spezielle Qualität. 'In 3 Tagen bist du tot 2' verknüpft an manchen Stellen die tabubrecherischen Momente des österreichischen Kunstkinos mit einem großen Gespür für Suspense und Entertainment.
Es ist diese Ernsthaftigkeit des alpinen Splatterthrillers, der mit Sabrina Reiter übrigens einen charismatischen Shootingstar in der Hauptrolle besitzt, die mich am meisten begeistert. Im Gegensatz zu vergleichbarer überschätzter Euro-Konkurrenz, ich erwähne jetzt nur den öde überzogenen 'Frontier(s)', respektiert dieser Film seine Figuren und seine Geschichte.
Der sich auch kräftig regende heimische Splatterunderground kann diesbezüglich von Andreas Prochaska sehr viel lernen. Vielleicht passiert ja schon in naher Zukunft ein junges österreichisches Horrorwunder.