Oder: Wie man anhand einer Ebay-Auktion, bei der ein Karton unbekannten Inhalts versteigert wird, den Kunstmarkt (Maßstab 1:10.000) erklärt.
Am Dienstag,...
... den 24.10.06, um 18:45 Uhr läuft auf eBay eine Auktion aus. Soweit nichts Besonderes. Zur Versteigerung gelangt ein Karton unbekannten Inhalts.
Aktueller Stand: 66,86 Euro bei 31 Geboten.
Bekannt ist, durch wen der Karton zur Versteigerung gelangt; nämlich durch den jungen österreichischen Künstler Valentin Ruhry. Bekannt ist auch, warum er es tut. Ruhry wurde zu einem Kunstwettbewerb (organisiert von Die Veranda) eingeladen, zu dem jede/r TeilnehmerIn einen Karton, gefüllt mit verschiedensten Materialien, bekommt. Daraus sollte "innerhalb von zwei Tagen Kunst entstehen". Welche Materialien sich darin befinden, erfuhren die insgesamt 13 geladenen KünstlerInnen erst, als sie am vergangenen Samstag in der AGITAS ihre Kartons auspackten. Nicht so Ruhry, der den verschlossenen Karton unangetastet mit einem Stift signierte und datierte.
Das Prinzip,...
... nach dem der Künstler Objekte mit einer künstlerischen Aura auflädt, ist seit Duchamps Pissoir (bzw. Flaschentrockner) gegessen. Es ist aber nur die Vorspeise zur Ruhrys Vorhaben. Vier Tage, bevor er den Karton erhielt, stellte er ihn auf eBay. In der Artikelbeschreibung, erläutert er den Modus des Wettbewerbes, gibt Informationen über die Jury bekannt und erklärt, dass der Käufer seines Artikels, im Falle eines Gewinns zu 50% am Preisgeld beteiligt wird.
Das Preisgeld, es wird von einer Wirtschaftskanzlei gesponsert, beträgt beachtliche 2.500 Euro für den ersten und 1.500 Euro für den zweiten Platz.
Auktionsende: Dienstag 24.10.06, 18:45 Uhr.
Just zu diesem Zeitpunkt werden in der Kanzlei der AGITAS auch die Gewinner bekannt gegeben. Damit gelingt es Ruhry eine Skizze eines Marktes zu erstellen, in dem der/die KünstlerIn zu einer Aktiengesellschaft wird. Seine Arbeiten sind die Aktien und seine KäuferInnen werden zu SpekulantInnen.
Jeder Wettbewerb,...
... jede Jury, jede Ausstellung und jede Galerie beeinflusst den Kurs dieser Aktien und die eigentliche Arbeit tritt in den Hintergrund. Der point of interest befindet sich nicht mehr innerhalb, sondern außerhalb des Kartons. Dort, wo sich ein System bestehend aus KünstlerInnen, SammlerInnen, KäuferInnen, SpekulantInnen, Medien und Jury herausgebildet hat.
Seltsam, aber so steht es geschrieben.
Wann, wo, was?
AGITAS
Apostelstraße 23, 1030 Wien
24.10.06
18:00 Uhr
Preisverleihung und Ausstellungseröffnung. Zur Ausstellung sprechen Erwin Wurm (das ist der mit dem kleinen Haus am großen Haus) und Gerald Bast.