Wer durch Beiträge künstlerischer Natur dem Volk Erbauung verkauft, wird regelmäßig zu Interview-Terminen genötigt, die sich meist aus Fragen nach Inspirationsquellen, Zielen und Eigeninterpretationen zusammensetzen. Irgendwann hat der Schaffende dann eine volle Nase und gibt regelmäßig idente Antworten.
Die fragwürdigste, in diesem Fall eher fragunwürdigste Neugiersimulation vom journalistischen Fließband ist eine, mit der vor allem Menschen konfrontiert werden, die es geschafft haben, einen 'unverwechselbaren', also markanten, persönlichen Stil in ihrem Schaffen zu entwickeln und diesen mit Inhalt verbinden, der noch keine Mottenkiste von innen gesehen hat. Tatsächlich Originelles ist schnell eine blinkende Untertasse am geistigen Horizont von Interrogativ-Nutten und führt zum dämlichsten aller Künstler-Interview-Evergreens:
"Wie kommen Sie eigentlich auf ihre Ideen?"
Womöglich gehe ich fälschlicherweise von mir aus - vielleicht braut manch einer aus seltenen Gräsern, bei Vollmond gehackten Misteln und Katzeninnereien einen Trank, nach dessen Verzehr man an Hunger arm und Ideen reich ist. Ich kenne aber leider das Rezept nicht, also komme ich zu Ideen, indem ich nachdenke. Die Behauptung, dass das bei allen anderen eh auch so ist, wird nur die Minderheit der Trank-Theorie-Anhänger als Wagnis beurteilen.
Ich werde nie interviewt, weil ich weder prominent noch berühmt bin. Meine Ideen, die ich mir täglich ausdenke, sind der breiten Öffentlichkeit unbekannt. Das hat den schönen Nebeneffekt, dass niemand an deren Entstehung interessiert ist.
Aber auch ich bin immer wieder mit denselben Fragen konfrontiert, deren Beantwortung ich im geistigen Stand-by-Modus absolvieren kann. Eine ist zum Beispiel: "Warum ziehst du dich immer schwarz an?" Damit ich beim Aufstehen eine Entscheidung weniger treffen muss, pflege ich zu antworten. Was ich so mache oder höre, ist auch immer wieder von Interesse. Und irgendwann, wenn wieder einmal Dritte - ich vermeide es tunlichst, das zu erwähnen - erzählt haben, dass ich am Papier kein Junggeselle mehr bin, kommt laut schallend:
"WAS? Du hast wirklich geheiratet?"
Um nicht jedes Mal in einem breiigen Gespräch meinen Text aufsagen zu müssen, hier die Beantwortung aller Frequently Asked Questions zum Thema "Was? Häh? Hochzeit? Oag!", auf die ich in Hinkunft einfach verweisen werde und somit gleich wieder zum Tagesgeschäft übergehen kann, wenn Neubekanntschaften ihren Ohren misstrauen:
Ja, ich habe am 29. Februar dieses Jahres die wunderbare Amina Handke, auch bekannt als DJ Amina, am Standesamt Innere Stadt geehelicht. Wir sind kein und waren nie ein Paar, sondern haben letzten Sommer zu sehr später Stunde beschlossen, aus reiner Sympathie nicht den heiligen, aber wenigstens den juristischen Bund der Ehe einzugehen. Eine Scheinehe ohne Sinn also. Für läppische vierzig Eulen meldeten wir uns daraufhin mit sämtlichen erforderlichen Dokumenten, und das sind einige, für den immerhin schönsten Tag des Februars an, wir wählten die Minimalvariante ohne Ringe und Musik.
Neben dem Ansinnen, platonische Zuneigung staatsrechtlich zu machen, war die abendliche Feier ein Tatmotiv. Der Bekanntenkreis braucht ja immer Gründe, um sich zahlreich zu versammeln und Schaumwein zu entkorken, und eine Hochzeit gehört zu jenen triftiger Natur.
Die Zeremonie am Nachmittag war etwas irritierend. Die Anwesenden, bestehend aus Trauzeugen und einer Handvoll Unverbesserlichen, waren verkleidet und unernst genug, um die sehr sympathische Standesbeamtin spüren zu lassen, dass hier der Tod nicht Scheidungsrichter sein würde.
Sehr routiniert wurde dann getraut. Ja, ich will.
"Aber ihr seid nicht irgendwie zusammen oder so?"
Nein.
"Und was ist, wenn sie jetzt ein Kind bekommt? Dann blechst du dein Leben lang!"
Dann würde ich herzlich gratulieren. Der Rest ist geregelt.
"Ich find das trotzdem komisch. Irgendwie ist die Ehe doch was Heiliges, das sollte man doch respektieren."
Wer kirchlich heiraten will, soll das tun. Das respektiere ich. Jeder, wie er kann und will. Ein Stück Papier, das Liebe dokumentieren soll, ist mir aber nicht heilig, sondern vielmehr egal.
Die festgeschriebenen Kriterien für eine Heirat sind breit interpretierbar. Die Vernachlässigung meiner ehelichen Pflichten soll mir außer meiner Frau erst mal jemand nachweisen.
"Aber eure Namen habt ihr behalten, oder?"
Ja. Bei der Anmeldung muss man das festlegen. Außerdem wird man gefragt, wie die Kinder heißen sollen. Ich war zu Scherzen aufgelegt und konnte mir den Jokus "Irmgard und Manfred." nicht verkneifen. Des Beamten Komikzentrum traf das nur peripher.
Hiermit habe ich das Wesentliche zu diesem Thema ein letztes Mal in knapper Form erörtert. Hinkünftig werde ich mit Engelsgeduld und -zunge allfälligem Vorwitz nachkommen, das Thema Hochzeit ad acta zu legen sei mir aber gestattet.
Ah, da hat noch jemand eine Frage. Ja, bitte? ...
Man versteht Sie überhaupt nicht, könnten Sie vielleicht aufstehen und etwas lauter sprechen?
"Ja. Wenn es dir so auf die Nerven fällt, darüber zu reden, warum tust du es denn hier schon wieder und machst deine trotz aller Erklärungen fragwürdige Aktion auch noch öffentlich?"
Hm. Das ist natürlich ein berechtigter Einwand. Vielleicht ja auch deshalb, um die gesonnene Leserschaft mit einem knusprigen Diskussionsthema zu bewirten.