Einen tauglichen Künstlernamen auszuhecken und diesen zu etablieren, gehört gleichsam zu den freiwilligen wie schwierigsten Disziplinen eines diesseitigen Aufenthalts.
Zu lange sollte man nicht grübeln und hadern, achtzig Lenze sind rund sechzig zu viel für eine Neubenennung, überstürzt sollte man bei der Selbsttitulierung aber auch nicht vorgehen.
Zu guter Erst sollte der bisherige Name auf seine Exklusivität überprüft werden. Der Fotograf Jim Rakete heißt bürgerlich Gunther Rakete. Unklug wäre der bekannte Lichtbild-Schöpfer gewesen, wenn er sich für Gunther Torpedo entschieden hätte. Da er aber ein kluger Mann ist, blieb er bei 'Rakete', einem erlesenen und seltenen Namen, das wage ich ohne Recherche zu behaupten. Nicht klüger, der Vermeidung von "Sie heißen wirklich Rakete?" allerdings zweifelsohne dienlich, wäre 'Gunther Berger' gewesen, was allerhöchstens kaum einmal zur Frage geführt hätte, ob eine Verwandtschaft mit dem Schauspieler Helmut Berger vorläge, was der alte Knipser-Fuchs aber verneinen müsste, womöglich die Tatsache erwähnend, das in diesem Fall auch Berger ein Pseudonym ist, allerdings nur für 'Steinberger'. Von beeindruckender Inspiration war der wilde Teufel bei der Wahl seines Namens wohl nicht durchdrungen.
'Ich heiße überhaupt nicht DJ.'
Ein ähnliches Schicksal wie Herr Rakete hat Kollege Schoenswetter. Es ist schon einige Monde her, als der freundliche Salzburger mit mir eine Stunde Radio gestaltete. Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, die Nicht-Authentizität seines Namens in Frage zu stellen, bis mir Karl Schönswetter ohne Zweifel schürendem Minenspiel sagte, dass er tatsächlich so heiße, wobei sein Name der Legende nach auf einen Mönch zurückgeht, der bei prächtiger Witterung ein Kind gefunden und es sogleich klangvoll benannt habe. Das Gespräch ist allerdings schon so lange her, dass es durchaus möglich ist, dass eigentlich eine Nonne einen Knecht oder ein Priester eine Jungfrau vorfand, was weiß ich, das Erinnerungsvermögen ist ein großer Suppentopf mit Unmengen an verkochten Zutaten und einem kleinen Leck im Boden.
An dieser Stelle unterbrechen wir kurz und kommen zur Auflösung der letztwöchigen Publikumsfrage. Wir wollten von Ihnen wissen: 'Was haben der volkstümliche Schlager und Star Trek gemeinsam?' Die richtige Lösung lautet 'Borg'. Aus allen richtigen Einsendungen haben wir wie immer einen Gewinner gezogen: Wir gratulieren Andy aus Wien 21.
Mögliche Assoziationen, die ein Künstlernamen evozieren könnte, müssen vor der endgültigen Wahl eingehend geprüft werden. Der Schlager-Kapazunder hat wohl nicht an kybernetische Organismen gedacht, als er seine Laufbahn in der Unterhaltungsmusik begann. Die Schnittmenge zwischen Stadlfreunden und Trekkies dürfte jedoch verschwindend gering sein.
'Ich habe keinen Künstlernamen. Kommt mir auch nicht ins Haus. Wo Werger drauf steht, ist auch Werger drinnen. Da werd ich nicht Ratzenböck draufschreiben, fix nocheinmal.'
Meine Frau Amina entschied sich dereinst für den Nachnamen Bielefeld, was in Kombinatiaun mit ihrem Vornamen schon recht heiter ist. Noch besser wäre allerdings Amina Burana gewesen.
Wie sie werde auch ich an der Durchsetzung meines Künstlernamens scheitern. Während Carnal dem Angelsachsen mitunter ein frivoles Lächeln abtrotzt, stößt man hierzulande höchstens auf Schwierigkeiten punkto Phonetik und Intonation. 'Herr Kanaaaaal bitte!' schallte es nicht erst durch ein Wartezimmer und Briefe an 'Carmen Marc' würden in meinem Ordner 'Zum Schmunzeln' archiviert, besäße ich einen solchen. Meinen Sohn werde ich dereinst 'Caesar Anton Rudolph Nordpol Anton Ludwig Carnal' taufen, um ihm sein Dasein mit einer Art selbstreferenziellen Buchstabierhilfe zu lindern.
Ein technisches Abszess ohnegleichen stellt das Handy-Wörterbuch dar, das nur bei besonders schlichten Kurznachrichten ('Bin gleich da') eine Zeitersparnis darstellt. Man stelle sich aber einen schlimmen Notfall vor. 'Der deficsill? liegt in der könno?' ist unfraglich weniger förderlich als 'Der Defibrillator liegt in der Kommode.' Telekommunikativer Konservativismus kann Leben retten! Aber: Er hilft wenig bei der Suche nach Künstlernamen. Im Gegensatz zum ansonsten gräulichen Handy-Wörterbuch! Tippt man dort meinen Namen ein, schlägt der kleine Fernsprecher 'Marc Barock' vor. Das finde ich exzellent. Die Erweiterung 'Marc Barock Obama' ist dagegen nicht knusprig genug, um hier überhaupt Erwähnung zu finden.
'Künstlernamen finde ich ur peinlich. Was macht der Irre da eigentlich neben mir?'
Nun haben Sie diesen an Höhepunkten und Erbauung armen Aufsatz fast zu Ende gelesen. 'Und so einer schimpft sich Webhost', werden Sie denken. Trotz Ihres berechtigten Grams haben Sie nun die Möglichkeit, auf bereits vorhandene Wortmeldungen im Forum zu reagieren oder einen eigenen Beitrag zu posten. Dieser erscheint, sobald sie die Schaltfläche 'absenden' betätigen, unter dem hellgrauen Doppelstrich unter diesen Zeilen. Ist mir übrigens nach vielen Jahren gerade zum ersten Mal aufgefallen, dass da ein grauer Doppelstrich ist. Man schaut oft gar nicht so genau hin.
Sie müssen auch gar nicht über Künstlernamen diskutieren. Mögliche Diskussionsansätze:
-Ist Weihnachten mittlerweile schon zu kommerziell?
-Wo kommen wir denn da hin, wenn es so weitergeht?
-Doping - Lässig oder eher unfair?
-Euro - Teuro?
-Häkeln - das neue Karate?
-Fu Long - Der tiefe Fall eines Shootingstars
-Wer ist schuld an der Klimaerwärmung? (Namen!)