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Wien | 28.4.2005 | 16:40 
Werkzeuge zur geistigen Selbstverteidigung in Wirtschaftsfragen. Der Pinguin ist zu Hause in Malmoe.

Sonja, Rotifer, HansWu

 
 
"Nix is fix" statt "9 to 5"
  Arbeiten Montag bis Freitag von 9 bis 5? Dieser Ablauf gilt der heutigen Generation als Relikt der Vergangenheit. Das Modell "männlicher Vollzeitjob in Fabrik oder Büro zum Erhalt der Familie" scheint zunehmend von einem Regime abgelöst zu werden, in dem "Nix is fix" die einzige Regel ist. Die Rede von der "Prekarisierung" geht um, denn nur manche Betroffene fühlen sich mit diesem Arrangement wohl: Ausbreitung von Schwarzarbeit, Teilzeitarbeit, (Schein)selbständigkeit, Werkverträge sowie Reduktion staatlicher Sozialleistungen und Sicherheiten. Was früher als Merkmal "unterentwickelter" Staaten und von Randbereichen der Gesellschaft galt, rückt zunehmend in die Zentren vor. "Die Informalität der Arbeit wird zur historischen Tatsache, auch wenn zumindest im westlichen Europa die unbefristete Vollzeitarbeit noch immer die vorherrschende Erwerbsform bleibt. Doch die Bereiche, die nicht normiert sind, werden größer. Es darf davon ausgegangen werden, dass in den Industrieländern etwa ein Viertel der Erwerbspersonen "schwarz arbeitet" oder prekär beschäftigt ist", so die Sozialwissenschafterin Birgit Mahnkopf.
 
 
  Für Österreich stimmt das ziemlich genau: Um die Jahrtausendwende waren 17% der Werktätigen teilzeitbeschäftigt, 4% geringfügig, 3% befristet, 1% unter Werkvertrag, 0,6% unter freiem Dienstvertrag, 1% in Heimarbeit und 0,5% über Leiharbeit tätig (wobei Schwarzarbeit naturgemäß nicht erfasst ist). Das heißt, dass die "Normalarbeitenden" noch immer in der Mehrheit sind. Doch was früher nur für jene galt, die nicht dem Bild des "Normalbürgers" (weiß, männlich, einheimisch) entsprachen - also vorwiegend Frauen und MigrantInnen, z.B. in der Hausarbeit - betrifft zunehmend auch inländische Männer. Das verhilft dem Problem zu erhöhter Aufmerksamkeit.

 
 
Politische Konsequenzen
  Birgit Mahnkopf und andere sehen in der Prekarisierung und der damit verbundenen Verunsicherung nicht nur eine ökonomische Benachteiligung der Betroffenen, sondern auch ein politisches Risiko: "Wer Angst hat, ist empfänglich für konservative oder gar rückwärtsgewandte Entscheidungen, die es vermeiden, die Grundlagen und die Legitimität der gegebenen gesellschaftlichen Ordnung zu hinterfragen; eine solche Person wird kaum größere Veränderungsbereitschaft an den Tag legen, mit der ist schwerlich eine andere, zukunftsfähige Gesellschaft zu gestalten."
 
 
 
  Doch wie können sich die Betroffenen gegen Prekarisierung zur Wehr setzen? "Wie kann der individualisierte, zur (Schein)selbständigkeit und Prekarisierung gezwungene Arbeitnehmer überhaupt "streiken"?", fragt der Arbeitssoziologe Sergio Bologna, der ausgiebig zur Lage der neuen Selbständigen geforscht hat, und diese Woche einen Vortrag in Wien hielt. Seine Antwort: Nachdem der Streik mangels eines Gegenüber, dem streikende (Schein)selbständige ihre Forderungen entgegenschleudern können, nicht möglich ist, bleibt als einziger Ausweg die Gründung von Netzwerken zur wechselseitigen Unterstützung. "Nicht nur die Selbständigen, alle brauchen einen mächtigen Transformationsprozess, dessen Keimzellen die solidarischen Netzwerke sind", so Bologna.

 
 
"Prekär leben, prekär kämpfen"
  Andere setzen eher auf politische Öffentlichkeit. Bereits seit 2001 findet am Nachmittag des 1. Mai im Zentrum von Mailand die so genannte MayDay-Parade statt, die auf eine gemeinsame Initiative von italienischen, französischen und spanischen AktivistInnen hin entwickelt wurde. Der Name "MayDay" ist dabei zugleich eine Anspielung auf den traditionellen ArbeiterInnenkampftag 1. Mai, wie auch auf das Alarmsignal von in Seenot geratenen Schiffen. Dadurch soll bereits im Titel auf die zunehmende Entsicherung von Arbeits- und Lebensverhältnissen im Zuge des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft verwiesen werden. Die Beteiligung am, wie auch die Bedeutung des MayDay ist dabei in den letzten Jahren ständig gewachsen: von 5.000 Leuten 2001 auf 100.000 DemonstrantInnen 2004, die mit einer Vielfalt von Aktionen auf neue Kampf- und Organisationsformen von Menschen in prekären Lebens- und Arbeitssituationen hinzuwirken versuchen. Im letzten Jahr fand der EuroMayDay dann zum ersten Mal auch in anderen Städten Europas statt - ein Prozess, der heuer auf zahlreiche weitere europäische Städte übergegriffen hat.

 
 
  Den Euromayday-AktivistInnen geht es mit ihren Protesten nicht um ein Zurück zum normierten Büro- und Fabriksalltag unserer Elterngeneration. Denn flexibles Arbeiten kann auch von den Betroffenen als befreiend erlebt werden. Eher haben sie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Visier, unter denen die neuen Arbeitsverhältnisse stattfinden: Geringe und erratische Bezahlung, mangelnde Absicherung gegen Krankheit, Alter etc.
 
 
 
  Auch in Wien hat sich eine Gruppe organisiert, die zur Mayday Kundgebung aufruft. Treffpunkt für die Parade ist der Mexikoplatz (1020; U1 Vorgartenstraße), am 1. Mai um 14 Uhr.
 
 
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