Die Bank of America, die größte Bank der USA, macht laut einer aktuellen Zeitungsmeldung Kreditkarten nun im Raum Los Angeles auch für Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus zugänglich. Sie eröffnet damit eine neue Geschäftsnische: Auch Menschen ohne Sozialversicherungsnummer können nun Zugang zu einer avancierten Zahlungs- und Kredittechnologie erhalten. Die Bank erhebt dafür eine einmalige Vorausgebühr, die nach einigen Monaten zurückerstattet wird, wenn der Ausgabenrahmen nicht überschritten wird und die Rückzahlungen pünktlich erfolgen. Darüber hinaus verrechnet sie überdurchschnittlich hohe Zinsen. Die illegalisierten MigrantInnen sind eine immer begehrtere Zielgruppe für die Banken - bislang vor allem für Institute, die Überweisungsdienste in Herkunftsländer anboten. Nun eben auch Kreditkarten.
Bank für Traditionelle
"Finanzieller Ausschluss"
Was ist daran so bemerkenswert? In Ländern wie USA und Großbritannien hat sich unter den Armen zunehmend das Phänomen des "finanziellen Ausschluss" verbreitet, das heißt bis zu 10% der Bevölkerung haben keinen Zugang zu Bankdienstleistungen wie Konto, Kredit, Sparbuch etc. Sie sind vielfach für die Geldaufbewahrung auf die Matratze und fürs Ausleihen auf Kredithaie angewiesen. Die Hauptursache liegt in den Geschäftsstrategien der Banken, die unter liberalisierten Bedingungen ihre höhergesteckten Profitziele zu erreichen versuchen, indem sie sich um lukrative Kundensegmente balgen, aber sich aus verarmten Regionen und Bevölkerungsgruppen zurückziehen, wo die Kosten hoch und die Gewinnspannen gering sind. In den Vierteln der Wohlhabenden sitzt somit eine Bankfiliale neben der anderen, während arme Viertel zum Teil praktisch bankenfrei sind. Auch in Österreich gibt es solche Konzentrationsgebiete: Im Kleinwalsertal und in Jungholz kommen auf 320 EinwohnerInnen drei Banken. Warum? Sie profitieren davon, deutsches Geld zu verwalten, das das günstigere österreichische Steuerrecht nützen möchte.
Im Allgemeinen ist das spiegelbildliche Phänomen der "Ent-Bankung" in Österreich aber unterentwickelt, da viele Sparkassen nach wie vor auf Kleinkundschaft spezialisiert sind. Früher, als Bankgebühren streng reguliert waren, und Kreditinstitute mit dem Verwalten von Sparbüchern und der Vergabe von kleinen Krediten ihr Hauptgeschäft machten, waren sie bestrebt, durch Ausbau des Filialnetzes Kundschaft anzulocken, denn so viel Kundschaft wie möglich war der Schlüssel zum Erfolg. Obwohl die Banken in den letzten Jahren dazu übergegangen sind, viele Filialen zu schließen, ist die Bankendichte in Österreich aber noch immer vergleichsweise hoch: Auf eine Bankstelle entfallen rund 1.500 EinwohnerInnen, in Deutschland und der Schweiz dagegen je rund 2.000.
Bank für ländliche Typen
Arme als Geschäftsfeld?
In der Debatte, wie das Problem des "finanziellen Ausschluss" zu lösen sei, treten in letzter Zeit immer mehr Finanzinstitute auf den Plan, die speziell auf die Armen abgestimmte Geschäftsstrategien entwickeln. In Österreich wird die Betroffenengruppe auf lediglich 12.000 Leute geschätzt, die etwa aufgrund eines vorangegangenen Privatkonkurses von Kommerzbanken geschnitten werden. Offenbar Anlass genug, dass jüngst die Stiftung einer heimischen Bank eine karitative Einrichtung eröffnet hat, die Leuten Konten gewährt, die bei anderen Banken keines bekommen.
Während im österreichischen Fall die Dienstleistung für die Armen eher für Imagezwecke eingesetzt wird, die sich bei der Durchschnittskundschaft geschäftsfördernd auswirken soll, arbeiten andere Kreditinstitute international daran, aus den Armen direkt Kapital zu schlagen.
Kleingeld im Süden
Im Jahre 2006 hat Muhammad Yunus den Friedensnobelpreis erhalten. Er gilt als Vater der "Mikrokredite", die mittlerweile in vielen Kreisen als Allheilmittel im Kampf gegen die Armut auf der Welt gehandelt werden. So erklärte etwa die UNO das Jahr 2005 zum "Jahr des Mikrokredits". Mikrokredite sind Kleinstkredite, die für geschäftliche Investitionen an Individuen oder Gruppen vergeben werden. Menschen in den ärmsten Regionen der Welt, für die sich bislang keine Bank interessiert hat, soll so Zugang zu Finanzen eröffnet werden, um sich ihre eigen kleinen Unternehmen aufzubauen und sich so selbst aus der Armut zu befreien. Für die Rückzahlung wird die ganze Dorfgemeinschaft verantwortlich gemacht - sozialer Druck ersetzt die traditionell bei Bankkrediten verlangten materiellen Sicherheiten als Rückzahlungsgarant. Viele kommerzielle Banken versuchen in diesem von NGOs dominierten Segment mittlerweile ebenfalls Fuß zu fassen.
Bank für NostalgikerInnen
Das bringt dem Mikrokredit-Ansatz auch Kritik ein. Die Mikrokreditbewegung verbreite - ob wissentlich oder nicht - die Botschaft, dass der Markt das Maß aller Dinge sei, so die Wirtschaftsjournalistin Gina Neff. Die Konzentration auf die Förderung von Mikrokrediten zur Armutsbeseitigung gehe davon aus, dass es der mangelnde Zugang zu Krediten sei, der zu Armut im globalen Süden führe, nicht die Ausbeutung auf Arbeitsmärkten, sinkende Preise für landwirtschaftliche Rohstoffe oder erdrückende Schuldenlasten und die daraus resultierenden "Strukturanpassungsprogramme".
Zutritt - zur Schuldenfalle?
Zugang zu "offiziellen" Finanzdienstleistungen zu haben ist zwar generell besser, als auf private Kredithaie angewiesen zu sein, die mit brachialen Praktiken die Not der Kundschaft zu Hochzinseinkünften ausnutzen. Doch die hohe und steigende Zahl der privaten Überschuldungsfälle - auch in Österreich sichtbar - zeigt, dass Kreditzugang (egal ob bei normalen Banken oder am "grauen" Markt) auch zur Verschärfung persönlicher finanzieller Probleme führen kann. In Situationen, wo ganze Landstriche oder soziale Umfelder von Armut gekennzeichnet sind, führt ein Kredit schließlich kaum aus der Not: Mit Kreditgeld in den Aufbau eines unternehmerischen Broterwerbs zu investieren, hat nur sehr geringe Erfolgschancen, wenn im Umfeld schlicht keine Menschen mit ausreichend Kaufkraft vorhanden sind, die etwas abkaufen könnten.
Bank für AvantgardistInnen
Zugang zu Finanzdienstleistungen erleichtert in der Regel vermutlich das Leben. Das für alle zu ermöglichen, ist auf viele Art und Weise herbeiführbar: In Belgien etwa ist es Banken verboten, irgendjemand die Eröffnung eines Girokonto zu verwehren, und es gibt eine Höchstgrenze für die erlaubte Gebühr. Doch wenn Arme von Banken als lukratives Geschäftsfeld entdeckt werden, sind sie hohen Risiken ausgesetzt. Und Wohlfahrtsstrategien, die darauf setzen, dass sich die Armen mit Hilfe von Krediten am eigenen Schopf aus der Misere ziehen sollen, haben eher den Charakter einer Augenauswischerei.