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Berlin | 19.10.2008 | 11:05 
Aus dem Leben der Lo-Fi Boheme

LisaRank, Sonja, Marc

 
 
Fuck You All
  Christiane Rösinger ist Musikerin ("Lassie Singers", "Britta"), Songschreiberin und Autorin und lebt in Berlin. Sie schreibt eine wöchentliche Kolumne über ihren Alltag.

Wie jeder weiß, ist die Musikindustrie am Ende - Jahr für Jahr werden weniger Tonträger verkauft, illegale Downloads zerstören den Markt. Um sich selbst Mut zu machen, feiert die Branche jährlich eine Messe in Berlin - die Popkomm. Zum Auftakt frohlockte Verbandschef Dieter Gorny, dass nun bald sämtliche traditionelle Medien in der Krise seien: Dank des elektronischen Buches "Kindle" werde demnächst die Buchbranche implodieren.

Einstweilen sind aber Konzerte und Merchandising-Einnahmen ein Ausweg aus der Misere. So konnte man sich auf der Messe auch über die Absatzzahlen von Schlüsselbändern und anderen Fanartikeln informieren. Abends war dann doch etwas Musikenthusiasmus in der Stadt zu spüren, lange Schlangen bildeten sich vor den Clubs. Patrick Wagner vom Berliner Label Louisville und Robert Stadtlober vom Wiener Siluh-Label hatten zu "Fuck you all", einer Anti-Popkommparty geladen. Und zwar ins "White Trash", einem unter Easyjet-Touristen und Nick-Cave-Imitatoren beliebten Erlebnis-Burger-Restaurant in Berlin Mitte.
 
 
 
Zwischen Kabel und Knute: Robert Stadlober
 
 
  So viele gute Gründe es gibt, die Musikindustrie zu verabscheuen, diese Antihaltung wirkt in Wagners Fall etwas inkonsequent. Wenn einer immer gerne mit großen Firmen kooperierte und erst "Fuck you" schreit, wenn sich der Geldgeber mangels Verkaufserfolgen vom Indielabel abwendet, da drängt sich doch das schöne Bild aus der Fabel auf. "Sie sind mir sowieso zu sauer!" sagte der Fuchs, als er nicht an die hoch hängenden Trauben heran kam.

Gut war es trotzdem im White Trash, auf den Bühne verausgabte sich das Schwesternduo Jolly Goods, im Einlassbereich wurden die Gäste vom kamerabewährten Robert Stadtlober zur Band-Hasskritik ermuntert. Zuvor hatten Wagner und Stadtlober in vielen Interviews die Geldgier der Branche angeprangert und kräftig in alle Richtungen gedisst. Was die Kunst des "Dissens" angeht, haben die beiden ja Recht: Die gute alte Kritik (das ist Dissen mit Argumenten) ist im Musikjournalismus weitgehend ausgestorben und durch den simplen Promotext ersetzt worden. Vielleicht ist es an der Zeit, wieder mehr zu hassen.
 
 
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