Christiane Rösinger ist Musikerin ("Lassie Singers", "Britta"), Songschreiberin und Autorin und lebt in Berlin. Sie schreibt eine wöchentliche Kolumne über ihren Alltag.
Wer prekär lebt spart ja, wo er kann. Also geht man gern ins Kino, wenn Freunde an der Kasse arbeiten und der Eintritt frei ist. Diese Herangehensweise führt dazu, dass man sich auch mal Filme anschaut, die nicht ganz oben auf der Wunschliste stehen. So gab es letzte Woche "La Boheme" den Film zur Oper, zum Buch von Regisseur Robert Dornhelm.
Die Puccini Oper basiert ja auf dem Murger-Roman "Das Leben der Boheme", dem Urtext der europäischen Boheme-Literatur. Bei Puccini, im Musical "Rent" und einem Kaurismäki-Film wurde der Stoff weiter verarbeitet. Grund genug für die Lo-fi-Bohemienne zurück zu den Wurzeln dieser anstrengenden Lebensform zu gehen.
Er hat's erfunden!
Die Geschichte setzt am Weihnachtsabend ein. In einem pittoresk verlotterten Pariser Dachatelier hausen ein paar prekarisierte Maler, Musiker, Dichter und Philosophen, man rechnet viel herum und beklagt mit Pathos und Ironie, dass die Hingabe an die Kunst mal wieder nicht zum Broterwerb reicht.
Bald findet sich das lyrische Paar Mimi und Rodolfo, und wie in der Oper so üblich wird praktisch ununterbrochen gesungen, Anna Netrebko zeigt dabei reichlich Dekolletee und Roland Villazon übertriebene Mimik und Gestik.
"Ich lebe in fröhlicher Armut", offenbart Rodolfo seiner Mimi schon früh seine prekäre Existenz, Mimi wiederum leidet unter schlechter Durchblutung, was Rodolfo zu einem ständigen Ansingen ihres eiskalten Händchens inspiriert.
Das Plakat zum Film zur Oper zum Buch
Nicht nur Geld-sondern auch Pärchenprobleme: Mimi und Rodolfo
Es ist natürlich Quatsch in einer durch und durch artifiziellen Kunstform wie der Oper, etwas Realismus einzufordern - aber die Zeitökonomie im Opernfilm ist schon haarsträubend: Die tuberkulöse Mimi liegt schon in den letzten Zügen, da beschließt Philosoph Colline seinen Mantel zu versetzen, um Medizin zu besorgen. Vorher aber muss der Mantel natürlich noch ausführlich angesungen werden: "Du gutes altes Mantelstück! Unsere fröhlichen Tage sind vorbei- Du musst ins Pfandhaus! Adieu alter Mantel!"
Mimis Leben und der Film nehmen daraufhin bald eine Ende, und so tappt man aus dem dunkeln Kinosaal ins Licht mit der starken Vermutung, dass die Abbildung der Bohème auch in ihren Anfangstagen schon zwischen Klischee und Kulisse gefangen war.