Christiane Rösinger ist Musikerin ("Lassie Singers", "Britta"), Songschreiberin und Autorin und lebt in Berlin. Sie schreibt eine wöchentliche Kolumne über ihren Alltag.
Die milden Novembertage sind vorüber, jetzt wird es kalt.
Das wäre eigentlich noch kein Grund zur Besorgnis - es wird schließlich Winter - käme da nicht ein altes Problem auf, das man in den letzten Monaten verdrängt hatte: das Rauchverbot. Das Rauchverbot in Berlin ist schon fast ein Jahr alt, aber so richtig gemerkt hatte man es bisher nicht. Zuerst gab es die Übergangsfrist bis Juni, dann kam der Sommer, wo man sowieso draußen rum stand. Und schließlich vertraute man auf ein gewisses anarchistisches Element in Berlin: "Das können die nicht durchziehen", dachte man. Taten sie aber doch. Gleichzeitig gab es klagende Gastronomen, Selbstmorddrohungen verzweifelter Wirte, apokalyptische Visionen vom Eckkneipensterben. Die Berliner Eckkneipen, das sind die Kneipen mit den nikotingelben Gardinen, den vertrockneten Pflanzen, in denen sich die befreundeten Alkoholiker des Blocks treffen - dieses Weltkulturerbe war vor dem Rauchverbot schon bedroht. In den Berliner Innenstadtbezirken musste die Eckkneipe immer mehr Szenecafés, ayurvedischen Imbissen und Coffee-to-go-Läden weichen.
Weltkulturerbe: Die Eckkneipe
Die Raucherkneipe
Inzwischen darf in ihr von Gerichts wegen vorerst wieder geraucht werden, wenn der Gastraum kleiner als 75 qm ist und keine sogenannten "zubereiteteten" Speisen verzehrt werden. Aber was sind zubereitete Speisen? Neue Verwirrung: Brezeln und Erdnüsse dürfen verkauft werden nicht aber die Bulette! Große Aufregung , riesengroße Schlagzeilen: Bulettenverbot in Berliner Eckkneipen!
Für die nicht Eckkneipen-affine Gelegenheitsraucherin, wird es nun, wo es kälter wird, schwieriger, eine passende Trink-Location zu finden. Einerseits sollte man drin schon rauchen dürfen, denn wer will schon als Nichtraucher im Freien stehen und frieren, weil die rauchenden Freunde ständig rausmüssen? Und allein drin rumsitzen ist ja auch langweilig. Erstaunlicherweise hat das Rauchverbot aber auch den interessanten Effekt, dass es jetzt überall krass verraucht ist, weil alle in die Raucherbars und keiner zu den Nichtrauchern geht. Aber was soll's: "Es ist noch keiner verstunken aber schon mancher erfroren", lautet ja ein altes badisches Sprichwort.