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Berlin | 6.12.2008 | 17:08 
Aus dem Leben der Lo-Fi Boheme

LisaRank, Sonja, Marc

 
 
Die Rebellion des Zimtsterns
  Die Berliner leiden ja seit jeher unter einer schlimmen Wortspielsucht und geben ihren Gebäuden gerne Spitznamen - da wird die Kongresshalle zur 'Schwangeren Auster' und der Fernsehturm zum 'Telespargel'.

Seit etwa einer Dekade schon hat sich dieser Drang zur Wortwitzelei auf die ehrbare Zunft der Friseure ausgeweitet. Ein Ladenschild mit der Aufschrift 'Friseurmeister Schmidt' oder 'Coiffeur Meier' reichte nicht mehr: Notaufnahme, Haarstation, Headhunter, Schnittstelle, Vokuhila. Ponyclub, Haar-Spree, Haar-Monie usw. hießen die Friseursalons nun. Fühlte sich der gesamte Berufstand plötzlich durch die eher handwerkliche Ausrichtung des Metiers unterfordert und suchte nach neuen sprachlichen Ausdrucksebenen? Man weiß es nicht, man gewöhnte sich daran.
 
 
  Aber seit einiger Zeit haben die Wirte angefangen ihren Kneipen und Cafés möglichst komplizierte Bandwurmnamen zu geben.

Die Bar 'Ruf mich nie mehr an' gab es nur einen Sommer lang, dafür geht man jetzt ins 'Lass uns Freunde bleiben' oder ins 'Sowohl als auch', oder man trifft sich gar im 'An einem Sonntag im August' oder im 'Glücklich am Park'!

Wie vieles, war auch das in den Neunzigern besser. Die Clubs waren höchstens zweisilbig - man ging in den 'Eimer' , ins 'Jenseits', ins 'WMF' oder den 'Tresor' , die alkoholzentrierteren Etablissements nannten sich der Einfachheit halber 'Trinkteufel' oder 'Suff'!

 
 
  Merken die Gastronomen nicht, wie kontraproduktiv so ein Bandwurmname sein kann?! Welcher normale Mensch will sich denn auf ein Getränk im 'Zu dir oder zu mir?' treffen?

Vor allem im Szenebezirk Prenzlauer Berg häuft sich die Unsitte. Aber dessen Bewohner nennen ihren Bezirk ja auch dumm-verniedlichend 'Prenzlberg' und kleiden ihren Nachwuchs in Strampler, auf denen 'Prenzlzwerg' steht. Aus der Flaniermeile dieses unguten Bezirks, der Kastanienallee, ist bereits die 'Castingallee' geworden.

 
 
  Aber auch im weniger prätentiösen Kreuzberg ist man vor 'originellen' Kneipennamen nicht mehr sicher:

'Mädchen ohne Abitur' mag für ein Restaurant noch angehen, aber wenn ein vegetarisches Cafe 'Die Rebellion des Zimsterns' heißt, dann dreht sich dem sprachempfindlichen Menschen der Magen um.

 
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