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Köln | 8.4.2008 | 16:32 
Alles für die junge Dame von heute: Pop, TV-Kultur, Style, Klatsch und Diskurs. Auch für den aufgeschlossenen jungen Herrn geeignet.

Pfister

 
 
An die Kanten gehen
  "Auch wenn man natürlich weiß, was für eine Geschichte Griechenland in Bezug auf die Akzeptanz von Homosexualität hat, ist queere Kultur hier heute ein großes Tabuthema", erklärt Wolfger Pöhlmann, der Leiter des Athener Goethe-Instituts. "Wenn sich beispielsweise ein Sohn in einer Weise verhält, die als 'schwul' gilt, ist das für viele Familien oft noch ein echtes Drama. Dazu kommt noch, dass die orthodoxe Kirche als Staatskirche immer noch einen sehr großen Einfluss ausübt."
 
 
 
 
 
  Klingt eigentlich gar nicht so anders als die Situation in besonders katholischen Landstrichen Österreichs, die der deutsche Instituts-Leiter da beschreibt. Dennoch ist die Lage in Athen insofern anders, als es in der riesigen Stadt kaum eine sichtbare Queer-Szene gibt. Von regelmäßigen, erschwinglichen Events wie FMQueer können die Athener Gender-DekonstruktionistInnen nur träumen. Die Strukturen sind schlecht, es gibt wenig (alternative) Räume, und die regulären Eintrittspreise für Mainstream-Clubs sind schwindelerregend teuer: 25 Euro für den Einlass, 10 Euro für's Bier sind ganz normal. Ein einziges besetztes Haus gäbe es in der 5-Millionen-Metropole, weiß Theo zu berichten, ein Teil des schwulen DJ-Duos Amateur Boys. Als dort vor einer Weile zum ersten Mal eine Queer-Party stattgefunden habe, hätten sich die anarchistische und die queere Crowd misstrauisch von verschiedenen Seiten des Raumes beäugt.
 
 
 
 
 
  Da ist es also kein Wunder, dass das dreitägige Performance-Festival Gender Pop Athens, das der in Berlin basierte Genderboy Tim Stüttgen und die in Athen lebende Tänzerin Margarita Tsomou gemeinsam mit dem Goethe-Institut auf die Beine gestellt haben, ein riesiges Hallo hervorruft. Vorab wurde eine Programmzeitung herausgegeben, die im Look absichtlich an die zahllosen Athener Gratis-Magazine erinnert, vom Inhalt her aber astreine Queer- und Gendertheorie von Camp über Judith Jack Halberstam bis zu Riot- und Cybergrrrls bietet. Die in der ganzen Stadt verteilten Zeitungen seien blitzschnell vergriffen gewesen, so Pöhlmann, und die meisten der Gäste sind sich einig, dass es so etwas in Athen in der Form noch nie gegeben habe.
 
 
 
 
 
  Der Schwerpunkt des Programms liegt in den drei Tagen auf queerer Performance-Kunst, modernem Tanz, Konzerten und Videos aus der Berliner Szene, die natürlich international besetzt ist. Für das Selbstverständnis des deutschen Instituts kein Problem, da man sich mittlerweile eher als europäisches Kulturinstitut sehe und immer auch mit regionalen Strukturen arbeiten wolle - wie das auch den beiden KuratorInnen wichtig war. So gibt es im weitläufigen Areal des Veranstaltungsorts Bios eine große Bandbreite dessen zu sehen, was im Rahmen von Popkultur zeigt, dass Geschlecht nur eine soziale und keine natürliche Kategorie ist. Ob das nun eine musikalische Drag-King-Show von Eszter Salomon & Arantxa Martinez ist, die etwas ehrgeizige Sexiness der drei Newtonesken Frauen von Company, die performative Beschäftigung mit Celebrity-Culture von Who's Who?, die Thematisierung von Brustkrebs durch einen Mann (!) oder Konzerte des quirligen Namosh oder der Diskurs-Elektropopperinnen Rhythm King and her Friends - die anwesenden AthenerInnen nehmen es begeistert bis andächtig schweigend auf.
 
 
 
 
 
  Das Publikum ist dabei eine Mischung aus stylishen Queers, die man ohne Probleme auch in Berlin treffen könnte, kulturinteressierten Goethe-Fans, ausländischen FreundInnen der Artists, die von überall her angereist sind, und aufgebrezelten Partypeople. Theo von den Amateur Boys kann sich zwar nicht vorstellen, dass die BesucherInnen am Ende des Abends nach Hause gehen und sofort ihre eigene Queer Revolution starten, ist aber zuversichtlich, dass auf lange Sicht auch in Athen in diesem Bereich mehr passieren wird. Kuratorin Margarita Tsomou: "Klar ist das auch zu überdenken, dass wir hiermit so eine Art Kulturimport machen - daran gibt es in Athen nämlich keinen Mangel, alle importieren ohne Ende. Ohne die Zusammenarbeit mit der engagierten lokalen Szene wäre das Festival aber gar nicht gelaufen, und immerhin importieren wir hier etwas, das an die Kanten geht." Tim Stüttgen war es wichtig, dass "schwul-lesbische Partikularitäten auf andere treffen und damit noch mal neue Interfaces geschaffen werden." Wenn man sich die friedlich-enthusiastischen Reaktionen des jeden Abend zahlreich herbeigeströmten Publikums anschaut, hat das auf jeden Fall funktioniert. Jetzt muss es nur noch weitergehen.

Alle Fotos: Klaus Taschler
 
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  www.myspace.com/genderpopathens
   
 
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