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Österreich | 17.6.2008 | 15:04 
Soundpark. Your Place for Homegrown Music.

 
 
Musikbiz-Einmaleins, Teil 4: Recht haben.
  von Hannes Tschürtz

Wer diese Serie einigermaßen verfolgt, dem dämmert es langsam: Betreibt man die Musik als "Geschäft", dann geht es auch sehr viel um Rechte. Nun verhält sich die Juristerei zur Musik in etwa so wie der Schiedsrichter zum Fußball. Nicht wirklich ein Mitspieler, aber wichtig, damit das Spiel funktioniert. Ein Musiker, der sich seiner Rechte nicht bewusst ist, wäre demzufolge also etwa ein Fußballspieler, der die Regeln nicht kennt. Keine gute Ausgangsposition. Das Wesentlichste und Mindeste wären Basiskenntnisse im Urheberrecht.

Jeder, der einen Musiktitel komponiert oder einen Text dazu schreibt, schafft damit ein "Werk" im gesetzlichen Sinne und genießt deshalb Schutz durch das Urheberrecht, das ihm auch niemand wegnehmen kann. Jedwede wie auch immer geartete "Nutzung" dieses Werkes ist letztlich per Gesetz mit einer Erlaubnis durch und einer Entschädigung für den Werkautor oder ?komponisten verbunden (daher ruht auch die Problematik "illegaler" Downloads und so weiter).

Das gilt für Aufführungen im Rahmen von Konzerten, Übertragungen im Radio, den Abdruck eines Liedtextes in einer Literaturfachzeitschrift oder der Benutzung als Hintergrundmusik in einem Fernsehbeitrag. Dabei ist es reichlich egal, WER das Werk interpretiert - der Urheber ist ja klarerweise NICHT zwingend ident mit dem Interpreten (der jedoch ebenfalls - durch das sogenannte "Leistungsschutzrecht" - Geld lukrieren kann).
 
 
 
Autor, Komponist, Verleger
  Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Verwertungsgesellschaften zu. In Österreich vertreten die (noch) gesetzlich monopolisierte AKM und ihrer Schwestergesellschaft AustroMechana (siehe dazu eine Geschichte von Peter Balon) Autoren und Komponisten. Mitglieder der Verwertungsgesellschaften übertragen ihnen pauschal das Recht, eben diese Erlaubnis (zur Sendung im Radio beispielsweise) zu erteilen und dafür Entschädigungen (Tantiemen) einzuholen.

Deshalb bekommt man für einen auf FM4 oder einer anderen Radiostation gespielten Titel einen geringen Euro-Betrag (variiert nach Sendezeit). Die AKM verteilt die eingenommene Summe an den Autor, Komponisten und den Musikverleger des entsprechenden Stückes - und so weiter. Großes aktuelles Problem dieser Organisationen ist aber (neben einer drohenden Entmachtung durch die Wettbewerbsbehörde der EU) deren mangelnde Befähigung, etwa "Sendungen" im Internet in dieses Spiel zu integrieren, wieder einmal ist das grenzenlose Internet eine "Grauzone".

Autor, Komponist: klar. Aber was tut hier eigentlich der Musikverleger? Dazu holen wir ein wenig aus und werfen einen Blick auf die Geschichte und die Daseinsberechtigung von Verlagen: Im Mittelhochdeutschen bedeutet der Begriff "verlegen" soviel wie "Geld ausgeben" oder "etwas auf seine Rechnung nehmen". Der damalige, ursprüngliche "Verleger" hat Bücher eines Autors eben "auf seine Rechnung" gedruckt und verbreitete die Bücher sodann - und erfüllte damit auf Musik und in die Neuzeit übertragen eigentlich eher die Aufgabenbereiche eines Musiklabels.

 
 
Urheberrecht kann nicht verkauft werden
  Der Musikverlag entstand mit dem verstärkten Aufkommen des Notendrucks populärer Werke mit einer ersten großen Blüte im 17. Jahrhundert - mit selbem Zweck wie oben beschrieben. Für Aufführungen in fremden Städten, für den Musikunterricht oder als "Statussymbol" wurden Notendrucke schon damals vielseitig "verwertet". Verändert hat sich die Rolle des Musikverlegers erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich - durch das Aufkommen elektronischer Medien und das dadurch stark vermehrte "öffentliche Aufführen".

Die Rechte, die ein Verlag seit jeher hat, gelten jener der Verbreitung und damit natürlich auch immer mehr jener der öffentlichen Aufführung. Das Verlagsgeschäft im 21. Jahrhundert lebt somit vielmehr von Tantiemen als vom klassischen Notendruck. Darüber hinaus nehmen die sogenannten "Sync Rights" einen immer stärker werdenden Stellenwert ein: Die Rechte, die Musik mit anderen Medien zu koppeln ("synchronisieren"), also etwa für Werbeclips, als Filmmusik oder als Soundtrack eines Computerspiels zu verwenden. Dies berührt natürlich ebenso die Urheberrechte, mit denen der Verlag wirtschaftet und handelt.

Dazu muss man sich in Erinnerung rufen, dass der ursprüngliche Autor oder Komponist sein Urheberrecht nicht "verkaufen" kann. Wohl aber kann er jemanden damit beauftragen, mit seinen Rechten zu wirtschaften - eben den Verlag.

 
 
  Vertraglich sichert sich der Verlag die Erlaubnis zur Nutzung besagter Rechte (auf bestimmte Zeit in einem bestimmten Territorium), profitiert wird umgekehrt dann von all den Einnahmen, die sich daraus lukrieren lassen (siehe Beispiele oben). Wie der dargestellte ursprüngliche Wortsinn schon sagt kommt dem Verlag dabei auch wieder eine Art "Bank"-Rolle zu. Im Musterbeispiel schießt der Verleger dem Autor oder Komponisten Geld vor (die sogenannte "Advance"), um ihm das Schreiben wirtschaftlich zu ermöglichen oder schmackhaft zu machen und das Leben einstweilen ein wenig zu erleichtern. Dafür holt er sich meist eine Geldrückfahrkarte in Form einer "Zession": Der Verleger kassiert so lange die über die Verwertungsgesellschaften eingenommenen Tantiemen des Künstlers, bis der Vorschuss "abgearbeitet" ist - in den gut funktionierenden Fällen beginnt dann das Spiel wieder von vorne (man spricht dann von der "Rolling Advance"). Zusätzlich ist der Verleger an den Einnahmen generell beteiligt: Der Verlagsanteil ist dabei auf den ersten Blick recht hoch: Ein Drittel im Aufführungs- und bis zu 40% im mechanischen Recht, bis zu 50% im Sync-Bereich - diese Prozente sind die eigentliche "Bezahlung" für die Arbeit des Verlegers.
 
 
 
Grauzone der Kompetenzen
  Die Verlagsarbeit sollte sich also hauptsächlich um die Förderung der Verbreitung drehen - denn damit wirtschaftet der Verleger auch in seine eigene Tasche. Schauen wir also auf die Einnahmenseite, wird diese durch Radio- und Konzert-Aufführungen, Vermittlungen von Titel in Filme, Videospiele oder Werbungen, Lizenzierungen und damit verbundene mechanische Vervielfältigungen oder Noten- und Textdruck gesteigert. In der Theorie heißt das, die Verlage müssten oder könnten all diese Geschäfte vorantreiben, sei es durch verstärkte Promotion- oder Werbekampagnen, "Plugging" (das lukrative Unterbringen als Musik in TV-Serien, beispielsweise), das Vermitteln von Konzerten oder das Lizenzieren der Titel auf Tonträger.

Und hier beginnt die große Grauzone der Kompetenzen und Interessen, denn für all diese Funktionen und Aufgaben gibt es auf dem Markt auch eigenständige Firmen und Agenturen (die ihrerseits vielleicht einen Inverlagnahme von Stücken als vermeintliches Zusatz-"Angebot" führen). Oft, speziell bei "kleineren" Gruppen, wird auch die Management-Funktion mit den potentiellen Rollen eines Verlegers verwechselt oder vermantscht. Letztlich obliegt es daher dem Künstler, eine klare Definition und Verteilung der Kompetenzen zu schaffen und sich sein Netzwerk nach den eigenen Regeln und Vorstellungen aufzubauen. Ein guter Verlag kann dabei eine tat- und finanzkräftige Hilfe sein, ein schlechter Verlag kann trotz potentieller hoher Vorauszahlung letztlich auch ein ziemlicher Klumpfuß werden - schließlich sind, wie auch bereits beim Label erwähnt, die Rechte das "oberste Gut" des Künstlers und damit sein Trumpf-Ass.

 
 
"Editionen" als Verlags-Anhängsel
  Wie auch beim Vergleichsbeispiel Label bieten kleine Verlage oft die zielgerichtetere Arbeit, aber weniger (bis gar kein) Vorschüsse. Größere Verlage wiederum haben deutlich bessere Netzwerke hinsichtlich des attraktiven Sync-Marktes und auch Niederlassungen (Sub-Verlage) in aller Welt, die für das schnellere "Eintreiben" von Tantiemen nützlich sein können.

Den administrativen Vorteil großer Häuser mit der Kreativität und Herzlichkeit kleiner Häuser zu verbinden ist ein Hauptargument zur Gründung von "Editionen". Während für die Gründung eines Verlages viele Formalismen (Gewerbeschein, Unternehmen, Nachweis der Befähigung einen Verlag zu führen...) notwendig sind, kann man sich ohne diesen Ballast bei entsprechenden Partnerschaften an einen Verlag "anhängen" und innerhalb dieses Konstruktes als Edition wüten: Ein Editionsvertrag regelt zum Beispiel, dass die Administration (und vielleicht auch Gelder für Vorschüsse) vom "großen" Partner kommen, während die "kreative" Arbeit - auch das Finden und Signen von Künstlern - vom kleinen Partner kommt. Viele Autoren aber auch Produzenten machen sich dies zu Nutze und führen auf diese Art und Weise ihre Verlagseditionen und profitieren von der zusätzlichen Einnahmequelle.
 
 
 
  Aufgrund der im Vergleich zum zusammenbrechenden Tonträgermarkt noch "immergrün" scheinenden Situation entdecken umgekehrt auch immer mehr der genannten Teilbereichs-Dienstleister den Verlag als goldene Kuh - so gibt es die Kombinationen Label + Verlag, Booking-Agentur + Verlag, Promotion-Agentur + Verlag - und so weiter. Nur zu oft lassen sich Künstler dabei überreden, ihre Verlagsrechte etwa anstelle von Geldleistungen regelrecht zu verscherbeln. Angesichts von langen Bindefristen und vergleichsweise hohen Kosten sollten solche Partnerschaften jedoch, wie hier ausführlich begründet, gut überlegt sein.
 
 
 
  Hannes Tschürtz, 30, ist Gründer und Leiter der Musikagentur ink sowie des Labels "schoenwetter Schallplatten" (u.a. garish; Trouble Over Tokyo; Ja, Panik), für das er auch im Leitungsteam des VTMÖ (österr. Indielabel-Verband) sitzt. Seit dem Jahr 2006 gibt er gesammelte Erfahrungen und Praxiswissen aus mehr als zehn Jahren im Musikgeschäft im Zuge der Kursreihe "ink.ademy" weiter. Einige Aspekte daraus werden in der mehrteiligen Serie "Musikbiz-Einmaleins" im FM4-Soundpark behandelt.

 Hannes Tschürtz
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