Wenn man über österreichische Bands Worte verliert, ist große Vorsicht geboten. Entweder wird das Gesagte/Geschriebene als übertriebene Lobhudelei abgetan, oder man empört sich über den künstlich distanzierten und/oder kritischen Blick, der ja nur von "oben herab" auf heimische Acts geworfen wird.
Im Fall Garish stellt sich dieses Problem für mich nicht wirklich. Zum einen sind Garish längst nicht mehr die unbekannte, kleine Proberaumband von nebenan, und zum anderen hat es in letzter Zeit wohl kaum ein "österreichisches" Album gegeben, das mich derart beeindruckt hat. All jene, die am 2. Februar bei der Live-CD Präsentation im Wiener Rabenhoftheater waren, werden mir da wahrscheinlich beipflichten. Denn Garish bescherten uns mit ihren 'Absender auf Achse'-Songs einen wunderschönen Abend zwischen Streichern, einem Bläsersatz, spannender Atmosphäre und viel Gefühl...
Absender: 'Wo die Nacht erzählt vom Tag'
'Absender auf Achse' ist eine logische und nachvollziehbare Weiterentwicklung. Der Opener 'Teer und Federn' (der mehr mit Lucky Luke als mit bösen Musikjournalisten zu tun hat, wie man vielleicht annehmen könnte) des neuen Garish Albums schließt in gewisser Weise an den Vorgänger 'Wo die Nacht erzählt vom Tag' an, ohne jedoch dabei zu übersehen, was in der Zeit dazwischen alles passiert ist: So waren Garish beispielsweise zum zweiten Mal unter den Nominierten für den 'Best Alternative Act' des Amadeus Music Awards (hier zum Nachlesen), bespielten große Festivals im Sommer, tourten mit den Indierockern Slut durch Deutschland und verbrachten auf akustische Art mit dem "seelenverwandten" deutschen Singer/Songwriter Tom Liwa so manchen Abend auf Stühlen.
Diese Erfahrungen bündeln sich in den 12 Songs von 'Absender Auf Achse' zu einem musikalisch vielfältigen und konzeptionell vielschichtigen Ganzen. Die Popperlen, Disco-Beats, jazzigen Swingrhythmen und elegisch balladesken Nummern erhalten durch Thomas' eindringlich weiche und gereifte Stimme und die kryptischen, bildhaft-lyrischen Texte einen magischen Sog. Auch das dahinterliegende Konzept hat seine Spuren in der nahen Vergangenheit.
Thomas: "Ich habe mich auf einer der Reisen mal gefragt, welcher Absender auf einem Brief stehen mag, den man abschickt, wenn man unterwegs ist, also von einem Punkt, der sich eigentlich jeden Tag ändert.
Es geht auf dem Album großteils um die Platzfindung zwischen Gegensätzen und auch um ein gewisses Pendel, sei es zwischen Stadt und Land, oder zwischen Menschen oder Gesinnungen..."
Musikalisch scheinen Garish eindeutig ihre Mitte und ihren Platz gefunden zu haben.
Aufgenommen wurde einmal mehr im Studio der Cselley Mühle Oslip, diesmal jedoch mit mehr Aufwand. Auf dem Album finden sich eine Reihe von akustischen Instrumenten, Streicher, ein Bläsersatz und sogar ein Kinderchor kommt bei dem Track 'Ich ahne was' zum Einsatz. Und all das nicht pompös oder zu gewollt. Diese Elemente schleichen sich vielmehr unbemerkt, jedoch mit großer Wirkung in die Songs ein. Dies liegt vielleicht auch daran, dass sich Thomas, Kurt, Markus, Christoph und Julian bei der Enstehung und dem Arrangement viel Zeit gelassen haben. So war es auch zum ersten Mal möglich, auf die Situation, während die Bandmaschine im Studio lief, reagieren zu können. Thomas führt da gerne die Enstehung des Abschlusstracks 'Von 10 abwärts' an:
"Der Text zu diesem Stück ist nach den Aufnahmen entstanden, und bei den Aufnahmen ist etwas sehr, sehr großartiges passiert. Als wir angefangen haben, das Orchester aufzunehmen, hat es angefangen zu regnen und zu donnern. Und beim Schlussteil der Nummer kann man das Ungewitter noch ganz gut vernehmen. Die letzten Textzeilen sind eigentlich eine Reaktion auf diese Situation, denn es heißt: 'Wenn es donnert und grollt, ja dann...'. Es ist auch die konzeptionell wichtigste Nummer des Albums, denn sie hat von Anfang bis Ende ein Zwischenspiel zwischen Text und Musik in sich."
Absender: Kitsch?
Ganz klar: Garish arbeiten viel mit Emotion(en). Sei es beim Schreiben und Komponieren der Nummern, beim Texten, beim Aufnehmen im Studio oder live auf der Bühne. Es ist immer eine gehörige Portion Gefühl mit im Spiel.
Für manch einen klingt der sich daraus ergebende Garish-Sound vielleicht streckenweise zu schön oder gar kitschig. Ein Wort, mit dem die fünf Burgenländer übrigens keine Berührungsängste haben, bedeutet er für Sänger Thomas in seiner "reinen" oder "ursprünglichen" Form ja nicht unbedingt etwas Negatives:
"Wenn ein schöner Sonnenuntergang kitschig ist, dann ist er halt kitschig. Aber es ist eigentlich etwas wunderschönes und ich weiß nicht, warum man so etwas nicht auch bewusst einsetzen soll. Das ist auch irgendwie ein Bedürfnis für mich."
Schlagzeuger Markus sieht die Sache mit dem Kitsch da weitaus analytischer:
"Kitsch hat für mich auch einen Hauch von Naivität. Natürlich spielen wir uns damit, mit dieser Gratwanderung von Kitsch und ernstzunehmender Musik. Man setzt sich damit natürlich oft auch der Gefahr aus, dass man deswegen belächelt wird. Wir machen schöne Musik, wir mögen schöne Musik, und genau das ist es auch, was wir gut können."
Dem kann ich eigentlich nichts mehr hinzufügen. Außer vielleicht, dass es unter Umständen gescheiter gewesen wäre, nicht viele Worte zu verlieren und die Musik für sich selber stehen zu lassen, wie es mein Kollege Rudi Schöllerbacher hier schon vor mir getan hat.
Fotos: Julia Grandegger
Absender: Garish auf Achse
Heute, Montag 09.02.2004, gibt es in der Homebase (19:00 - 22:00 Uhr) eine eigens aufgenommene Akustik-Session mit Garish zu hören.
Die 'Auf Achse'-Tour von Garish startet am 5. März in der Cselley Mühle Oslip und führt durch ganz Österreich, Deutschland und endet mit einem Doppelkonzert am 27. und 28. April im Chelsea in Wien.
Und alle, die gerne eine Reise unternehmen, können am 8. Mai Garish im Nouveau Casino in Paris erleben.