Ganz wichtig seien die Parties, hat mir P. noch vor der Abreise nahegelegt. Die Parties sollen nicht nur legendär, sondern ein bedeutender Teil der Art Basel Miami Beach sein und wenn irgendwie möglich, soll ich unbedingt Einladungen checken.
Dass ich dann bereits beim Umsteigen in Düsseldorf eine ebensolche für die Vernissage von Marilyn Manson in Händen halte, überrascht mich selbst. Umso mehr, als ich in Miami erfahre, wie rar diese Dinger sind. Aber Verspätungen in Flughäfen können auch etwas Positives haben, Prof. Galloway sei Dank.
Kunst
Marilyn Manson malt also Aquarelle, entnehme ich dem Bild auf der Einladung - eigentlich hätte ich mehr auf schwere, düstere Ölbilder getippt, maximal Tempera, mindestens sieben Schichten, aber nein, Wasser und Farbe - klingt nach Kindergarten Wasserfarbenmalereien, ist aber im Grunde ein schwieriges Genre, weil es kaum Fehler erlaubt bzw. die nur schwer korrigiert werden können.
Umso beeindruckter bin ich von seinen Arbeiten, die zumindest technisch sehr an Egon Schiele erinnern. Nicht nur technisch, erzählt mir Prof. Galloway später. Manson bewundere Schiele - zu dessen Hang zur Transsexualität, zu einem gewissen Sadomasochismus findet Manson eine tiefe Verbindung. Daneben kämen die Vorbilder mehr aus dem deutschen Expressionismus.
Otto Dix etwa - denn auch der habe vor allem Außenseiter, Verkrüppelte oder Transsexuelle seiner Zeit porträtiert.
Das Transsexuelle also einmal mehr das große Thema bei Manson. Herausragend das Bild "die deutsche Kriegerin", Hitler nackt mit weiblichen Brüsten, für das es ein konkretes Vorbild gab: ein Gemälde von Salvador Dali, auf dem Hitler als Hausfrau dargestellt wird. Ein legendäres Bild, das verschwunden oder zerstört worden ist, das aber als Legende weitergelebt hat, erklärt Prof. Galloway.
Mansons interessiert sich für Surrealismus - dort kann man ihn gut einordnen und unterbringen, die wahre seelische Verwandtschaft besteht jedoch zu den deutschen Expressionisten und zu Schiele.
Daraus entstehen überraschend berührende Bilder - teilweise von einer Sanftheit und Zerbrechlichkeit, die positiv verwirrt, aber kaum abschreckend ist. Und so versuche ich mir verzweifelt Manson vorzustellen, wie er nach den Aufnahmen zum neuen Album in seinem Haus nachts so gegen zwei oder drei Uhr auf dem Boden kniet und malt. Um zur Ruhe zu kommen, wie mir erzählt wird. Für die private, ruhige, reflektierte Seite von Marilyn Manson - die andere Seite dieser kreativen Medaille.
Klatsch
Vor mir blinkt aber der Öffentliche Manson, und weil ich zuerst dort gestanden habe und er sich quasi in mein Blickfeld gezwängt hat, mache ich das, was viele machen - ich fotografiere auch.
Ihn und seine neue Freundin - oder wer auch immer das ist - was weiß ich, ich lese weder heimlich noch unheimlich Gala oder Seitenblicke und hab keine Ahnung. Besserwissende mögen sich bitte melden.
Die Audience solle jetzt bitte eben mal ruhig sein, es würden jetzt einführende Worte von Prof. Galloway folgen, das sei "a german habbit". Schließlich ist es die Kölner Galerie Brigitte Schenk, die nicht nur diese Ausstellung im Designdistrict Miamis ausführt, sondern die auch in Köln vor einem Jahr die erste größere Ausstellung Mansons überhaupt gemacht hat. Die Pappen und gleichzeitig ein Getränk in der Hand zu halten stellt sich für viele als zu anspruchsvolle Konzentrationsübung heraus.
Um darüber nicht zu grinsen schaue ich während den interessanten einführenden Worten Prof. Galloways über den Zusammenhang zwischen Manson, Monroe und Schiele vor mich hin und schnell bleibt mein Blick an den wahnsinnigen Schuhen dieser unglaublich dünnen und zerbrechlich wirkenden Frau hängen. Mördergeräte. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die schöne Trägerin kann kaum mehr stehen - abwechselnd von einem Fuß auf den andern tippelnd und eisern auf die Zähne beißend. Währenddessen steht der Mann zufrieden daneben - auf robusten sieben Zentimetern Hartgummisohle.
Aus ehrlichem Mitgefühl tröste ich anschließend die Frau Manson mit lobenden Worten für ihre Schuhe. Die wiederum freut sich über soviel Verständnis und bedankt sich nach einem kurzen Fluch über ihr Fußwerk mit einem freundlichen Lächeln.
Während ich mir einen neuen Schampus hole werde ich zum wiederholten Male darauf angeredet, dass ich Nicole Kidman sehr ähnlich schauen würde. Anstatt nur höflich lächelnd zu verneinen, hätte ich endlich fragen sollen in welchem Film das denn der Fall sein sollte. Als Ursache für derartige Kidman-Halluzinationen verdächtige ich den großzügig ausgeschenkten Absinth - Mansinthe, der offizielle Marilyn Manson Absynth. Von dessen Existenz wusste ich bis dato auch nichts, aber um dem Kidman-Trauma zu entgehen verzichte ich auf ein weiteres Glas.
Dann lieber noch einen Champus und dazu die Einladung zur "Aftershowparty" in einem Hotel. Da ich auch noch wen mitnehmen kann, trifft es sich doch ausgezeichnet, dass ich noch in den hübschen T. renne, ein Dornbirner, der in New York modelt.
Aftershowparty
Klar geht T. gerne mit und der Abgefahrenheit dieser Party stellt der Vorarlberger Dialekt etwas angenehm Vertrautes entgegen. Erwärmendes, möchte ich fast sagen, denn der Club ist auf gefühlte fünf Grad runtergekühlt. Nicht ganz so angenehm für uns aber erst recht nicht für die Mädels, die in superknappen Uniformen, einer Anlehnung an Zirkusdirektoren, Stubenmädchen und Restbeständen aus dem Domina-Sortiment, wichtig herumtrippeln. Das soll wohl zum Gesamtkonzept des Ladens passen - De Sade Zitate an den Wänden, die Getränkekarte als Mieder geschnürt, dunkle Nischen zwischen schummrig rot beleuchteten Ecken. Dennoch passt die bemühte Stimmung nur bedingt.
Mag an der Musik liegen - wie kann Manson auf seiner eigenen Party derartigen Euro-Trash hören wollen? - kann aber auch an den hysterischen "Bediensteten" liegen. Da wären also die Mädels, die wohl nur zwecks Deko gecastet worden sind, und deswegen auch besser kein Glas angreifen sollten, weil sie von diesen verlässlich jede Viertelstunde einige fallen lassen. Die Scherben werden jedoch umgehend weggewischt von Burschen in ähnlichen, wenngleich mit zigfachem Stoffverbrauch geschneiderten Uniformen. Ständig wieselt einer von denen mit einer Taschenlampe im Mund, dem Besen in der einen und der Schaufel in der anderen Hand auf der Tanzfläche und darüberhinaus herum.
T. und ich verkrallen uns geradezu in unsere Drinks, die, werden sie mal versehentlich abgestellt, binnen Zehntelsekunden von den Uniformierten abserviert bzw. auf den Boden fallen gelassen werden. Wir amüsieren uns kopfschüttelnd.
Manson sitzt uns in seiner Runde gegenüber, bzw. sitzt er und andere tänzeln ständig um ihn herum. So also feiert der Parties, wundere ich mich und denke an Rudi, den Zahntechniker, der sich die gleichen Zähne wie Manson gebastelt hat. Jessas, Rudi würde durchdrehen vor Freude und wir lästern über die Musik und Silikon. Naja. Schließlich war ich nie ein großer Mansonfan. Zumindest nicht als Musiker, aber als Maler imponiert er mir dann schon sehr viel mehr.
Und irgendwann lacht einer laut und schallend von der Bar her und ich könnte umgehend weinen. Der lacht so ähnlich wie der Moser, von dessen Tod ich an dem Tag erfahren habe. Insofern bin ich richtig froh, als T. vorschlägt, die Party zu verlassen. Auch wenn sich jetzt unter die Silikon- und Botoxgeschädigten durchwegs lässige Leute gesellt haben, die auch die Tanzfläche richtig zu beleben wissen. Manson ist eh auch schon weg.
Martin Parr
Am nächsten Tag sehe ich in einem Museum Fotos von der Manson Vernissage und lache laut, als ich mich selbst darauf finde. (Ganz klein, ganz hinten.) Noch lauter lache ich allerdings, als ich lese, wer die Fotos geschossen hat - Martin Parr.
Bist du deppart - ich bin von Martin Parr fotografiert worden. Da bin ich dann doch leicht aufgeregt - vielleicht sollte ich an dieser Stelle anmerken, dass ich die Arbeiten des britischen Fotografen sehr schätze. Sehr. Und jetzt sehe ich den irgendwie komischen Fotografen vom Vorabend vor mir, der bei der Vernissage entschuldigend immer wieder in alle möglichen Richtungen genickt, aber immer fest mit der Kamera drauf gehalten hat. Was bist du denn für einer, habe ich mich damals gefragt und den Großmeister nicht erkannt.
Und dann lache ich nochmal ganz laut, als ich den Preis der Fotos sehe - lächerliche 1.500$.
Tja.
Rock'n'Roll.
Jetzt wär mir grad nach einem Gläschen Mansinthe.